Spruch zum Eingang (statt Psalm) Im Wochenspruch für diesen Sonntag heißt es: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Eingangsgebet Wir beten:

Treuer Gott,

du hast uns bei unserem Namen gerufen. Wir gehören zu dir. Eigentlich müssten wir uns also keine Sorgen machen. Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft zu haben.

Aber, treuer Gott, ganz so gut gelingt uns das nicht.

Du sagst „Fürchte dich nicht“ und wir denken sofort ein großes: Aber:

Aber Corona,

aber meine Schulnoten, mein Job,

aber dieser gefährliche Konflikt,

aber, aber, aber.

Treuer Gott, bitte, nimm uns all diese Aber von der Seele. Was auch kommen mag, wir gehören zu dir. Was auch kommen mag: Du bist bei uns. Darum sag und zeig uns doch immer wieder, wie sehr du uns liebst. Bis auch unser letztes Aber verstummt und wir statt „Aber“ „Amen“ sagen, denn so soll und wird es sein. Amen

 

Predigttext

Der heutige Sonntag ist überschrieben „Leben aus der Taufe“. In der Taufe nimmt Gott uns als sein Kind an. Davon was es heißt, von Gott zum Kind erwählt zu werden und was man daraus machen soll, berichtet bereits das Alte Testament. Also noch lange bevor die Taufe überhaupt erfunden war. Wir hören aus dem 5. Buch Mose, aus dem 7. Kapitel die Verse 6-11:

Du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern – , sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat der Herr euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der Herr, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust. Amen

Predigt

Sehr geehrte Damen und Herren!

  1. Wie? Falscher Anfang?

    1. Als Info für euch neue Konfis:

      1. In den Standardeinstellung für Predigten ist aktiviert, dass sie mit „Liebe Gemeinde“ anfangen.

      2. Und zwar in so einem ganz bestimmten Tonfall: Etwas leiernd, etwas singend.

      3. Das lässt sich auch nicht ausschalten.

      4. Immer ist der Anfang „Liebe“. Und wenn man doch mal mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ anfängt, dann sind alle irritiert.

    2. Immer ist der Anfang „Liebe“

      1. Bei Predigten kann man offensichtlich doch auch anders anfangen, das habe ich gerade bewiesen.

      2. In der Beziehung zu Gott geht das nicht.

      3. Immer, ausnahmslos immer, steht am Anfang die Liebe Gottes zu dir.

    3. Das will auch dieser etwas sperrige Predigttext sagen.

      1. Das ist nur nicht ganz einfach herauszuarbeiten, denn manche hören vor allem den ersten Teil: Du bist erwählt.

      2. Und andere hören vor allem den zweiten Teil als eine Drohung.

      3. Und die Frage ist, wie passt das zusammen?

  2. Es ist schwer, in diesem Text die richtige Mitte zu finden. Es ist auch eine Frage der Zeit, in der man lebt.

    1. Viele Generationen haben vor allem die Drohung gehört. Im Extremfall führte das zu großer Angst vor Gott. Es sind ja auch starke Worte, die hier fallen: „Vergeltung ins Angesicht und umbringen“.

    2. Unsere jetzige Zeit hört vor allem die „Liebe Gottes“. Im Extremfall führt dass dazu, dass Gott verniedlicht wird und alles recht zu sein scheint und alles egal wird.

    3. Die Wahrheit liegt aber vermutlich in der Mitte zwischen „Liebe“ und „Mahnung“.

  3. Der Text spricht von Erwählung: Gott hat dich erwählt.

    1. Eines meiner gedanklichen Themen der Coronazeit ist ja unser Anspruchdenken.

      1. Bei diejenigen, die die letzten Wochen viel hier im Gottesdienst waren, muss ich mich jetzt schon mal entschuldigen. Es beschäftigt mich sehr.

      2. Wir haben die letzten Jahre uns sehr daran gewöhnt, dass viele Dinge geradezu selbstverständlich sind.

      3. Gerade so als hätten wir ein Recht auf ein gutes Leben in Frieden. Ein Recht auf Gesundheit, ein Recht auf permanentes Wirtschaftswachstum.

      4. Und wehe, wir haben das mal nicht bekommen, worauf wir meinten einen Anspruch zu haben.

    2. Auch Gott gegenüber hegen wir dieses Anspruchdenken. Da ertappe ich mich selbst beim Lesen dieses Predigttextes.

      1. Da steht ja nicht: Gott liebt alle und jeden.

      2. Da steht: Gott erwählt. Das heißt, dass es Prinzipiell kein Anrecht darauf gibt, von Gott geliebt zu sein. Bloß weil er der „liebe Gott“ ist, ist er nicht verpflichtet alle und jeden und mich zu lieben. Es könnte sein, dass es Menschen gibt, die Gott nicht liebt. Ich habe keine Ahnung, ob das tatsächlich so ist und hoffe natürlich, dass Gott alle liebt. Aber die theoretische Möglichkeit besteht, dass es nicht so ist. Denn wir haben keinen Anspruch darauf, dass er alle Menschen liebt, und Gott muss überhaupt nicht lieben. Er tut es freiwillig.

      3. Außerdem haben wir keinen Anspruch darauf, dass wir zu diesen Geliebten, Erwählten gehören.

      4. Das sagt der Text ganz deutlich mit der „Größe des Volkes“

      5. Gott erwählt nicht, weil jemand etwas besonderes geleistet hat. Gott liebt uns nicht dafür, dass wir besonders schön sind oder besonders brav oder besonders intelligent oder besonders hilfsbereit.

      6. Es gibt keine Leistung, mit der wir uns Gottes Liebe sichern können, denn seine Liebe geht all unseren Taten und Worten immer voraus.

    3. Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, das kann man besonders gut an euch zeigen.

      1. Konfirmation bedeutet, dass ihr zu Gott „Ja“ sagt. Ihr bestätigt damit, dass ihr etwas aus eurem Glauben machen wollt.

      2. Aber dieses „Ja“ ist immer nur eine Antwort auf Gottes „Ja“ zu euch. Deshalb geht die Taufe als Zeichen dafür der Konfirmatioon voraus. Übrigens auch bei denen von euch, die noch nicht getauft sind. Selbst wenn ihr erst im Konfirmationsgottesdienst getauft werdet gilt: Erst Taufe, dann Konfirmation.

  4. Der zweite Teil des Predigttextes ermahnt uns sehr deutlich, etwas aus dieser Liebe Gottes zu machen. Diese Erwählung, dieses von-Gott-geliebt-Sein, ist nicht nur ein Gabe, es ist auch eine Aufgabe, eine Verpflichtung. Zwischen Liebe und Mahnung schwankt der Text hin und her. Und wenn wir nur eine Seite betonen, werden wir ihm nicht gerecht.

    1. Wir dürfen uns von Gott geliebt wissen.

    2. Diese Liebe ist bedingungslos. Wir müssen dafür nichts tun.

    3. Aber diese Liebe muss Wirkung zeigen. Wir müssen aus dieser Liebe heraus etwas tun.

  5. Sehr geehrte Damen und Herren“ war der falsche Anfang und wenn ich jetzt mit einem munteren „Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“ enden würde, wäre auch das falsch.

    1. Traditionell endet eine Predigt auf das Wörtlein „Amen“ und das aus gutem Grund.

    2. Amen bedeutet so viel wie „So sei es“ oder „so soll es sein“.

    3. Das ist also eine Antwort auf Gottes Wort.

      1. Am Anfang steht die Liebe Gottes und jetzt liegt der Ball bei mir.

      2. Was werde ich daraus machen?

      3. Mein Amen ist schon mal eine gute Reaktion, denn es heißt heute: Ich sehe, dass du mich liebst, Gott, und ich weiß, dass ich da etwas draus machen soll.

      4. Deine Liebe sei meine Verpflichtung.

      5. So sei es.

      6. Amen