Texte zum ersten Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: Christus spricht: „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ (Lukas 10, 16a)

Predigttext: Apostelgeschichte 4, 32-37

Psalm: Psalm 34, 2–11

 

 

Eingangsgebet

Herr, ich komme zu dir, so wie ich bin.

Ich komme zu dir mit meinem ganzen Kleinglauben.

So gerne würde ich dir von ganzem Herzen vertrauen.

So gerne würde ich viel mehr in deinem Sinne handeln.

So gerne würde ich dich und meine Mitmenschen unendlich lieben.

Ich bitte dich: Nimm meinen Kleinglauben und verwandle ihn in richtigen Glauben.

 

Herr, ich komme zu dir, so wie ich bin.

Ich komme mit meinem ganzen Reichtum.

So oft schaue ich auf das, was ich nicht habe und übersehe, was du mir alles schenkst: Freunde und Freude, liebe Menschen, ausreichend zu Essen, Gesundheit und Glück.

Ich bitte dich: Gib mir zu diesem Reichtum auch die nötige Dankbarkeit.

 

Herr, ich komme zu dir, so wie ich bin.

Ich komme mit meinen ganzen Fehlern und meinen Stärken.

Wie oft rede ich beide klein. Meine Fehler, sage ich mir, sind nicht so schlimm wie die der anderen. Und meine Stärken. Ich stelle mein Licht unter den Scheffel und traue mir nicht zu, was du mir zutraust.

Ich bitte dich: Gibt mir einen freien Blick darauf, wer ich wirklich bin als dein Kind.

 

Herr, ich komme zu dir und bin froh, dass du da bist. Amen

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

Früher war alles besser!“

Das ist ein Satz, der mich nervt. Es ist ein Gedanke, der mir missfällt. Ein Lebensgefühl, das ich nicht teile. Nein, früher war nicht alles besser. Vieles war anders, manches war besser aber manches eben auch schlechter.

Der heutige Predigttext aber erzählt uns etwas von „der guten alten Zeit“ und ich bin hin und hergerissen. Ich spüre Widerstand in mir, weil ich es nicht glaube und mir fallen sofort auch die Gegenbeispiele ein. Ich spüre aber auch Bewunderung, weil es schön wäre, wenn unsere Gemeinde und ich heutzutage so wären. Und dann fang ich an, mich innerlich zu Verteidigen, warum es damals so gut war und heute eben nicht so ist. Und dann ärgere ich mich über mich selbst, dass ich so kleinkariert bin und es nicht einfach stehen lassen kann.

Und all das nur, weil Lukas in seiner Apostelgeschichte von den Anfängen der Kirche berichtet und davon, wie Kirche sein sollte. Früher war eben alles besser. Zumindest in der Apostelgeschichte 4, die Verse 32-37. Ich lese aus der Basisbibel:

Die ganze Gemeinde war ein Herz und eine Seele. Keiner betrachtete etwas von seinem Besitz als sein persönliches Eigentum. Sondern alles, was sie hatten, gehörte ihnen gemeinsam. Mit großer Kraft traten die Apostel als Zeugen dafür auf, dass Jesus, der Herr, auferstanden war. Die ganze Gnade Gottes ruhte auf der Gemeinde. Keiner von ihnen musste Not leiden. Wer Grundstücke oder Gebäude besaß, verkaufte diese und stellte den Erlös zur Verfügung. Er legte das Geld den Aposteln zu Füßen. Davon erhielt jeder Bedürftige so viel, wie er brauchte. So machte es auch Josef, ein Levit, der aus Zypern stammte. Die Apostel nannten ihn Barnabas, das bedeutet »der Tröster«. Josef verkaufte einen Acker, der ihm gehörte. Den Erlös stellte er der Gemeinde zur Verfügung und legte ihn den Aposteln zu Füßen. Amen

Ich spüre Widerstände in mir, denn so paradiesisch ging und geht es ja nicht immer zu in der Kirche. Voll Bewunderung berichtet Lukas über die Urgemeinde in Jerusalem und das zu Recht, denn so sollte Kirche sein: paradiesisch, ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes. Mit großer Kraft traten die Apostel als Zeugen der Auferstehung auf, alle sind ein Herz und eine Seele und das geht so weit, dass es keinen Privatbesitz mehr gibt, sondern selbstverständlich alles geteilt wird. Aber diese Verse sind eine Momentaufnahme. Früher war eben längst nicht alles besser. Schon wenige Zeilen später berichtet Lukas selbst davon, dass es gleich los ging, dass doch jemand versuchte, sich abzusichern. Und der Apostel Paulus hat seine vielen Briefe ja nicht geschrieben, weil alle Gemeinden so gut funktionierten, sondern weil es immer und immer wieder gemenschelt hat in der guten alten Zeit.

Dennoch spüre auch ich Bewunderung, denn so wünsche ich mir Kirche. Das wäre doch toll, wenn wir so wären, oder? Stellt euch vor, wie wir uns gegenseitig begeistert und kräftig darin bestärken, dass Jesus auferstanden ist und dass wir auferstehen werden. Stellt euch vor, wenn wir keine Fundraisingaktionen bräuchten, um unsere Renovierungen zu finanzieren, weil sowieso jeder sein Geld dafür hergäbe. Stellt euch vor, wie wir uns gegenseitig unterstützen, mit Geld, mit Geduld, mit Glaube, mit Tatkraft. Und stellt euch vor, wie wir ein Herz und eine Seele sind, manchmal verschiedener Meinung, aber immer ohne Streit. So wünsch ich es mir.

Weil es aber nicht so ist, fange ich an, uns und mich zu verteidigen. Ich sage mir: Die hatten es damals ja auch viel leichter. Die waren ja überzeugt, dass sie alle das Ende der Welt noch erleben werden. Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, dann würde ich auch meinen Acker verkaufen und das Geld in die Runde werfen. Die hatten es viel leichter, weil sie die Auferstehung ja miterlebt haben. Sie haben Jesus zwischen Ostern und Himmelfahrt bei sich gehabt. Klar, dass die viel kraftvoller davon reden konnten. Aber dann schimpfe ich mit mir, wie kleinkariert (und auch kleingläubig) das ist und wir gründlich ich damit mal wieder alles missverstanden habe.

Das erste Missverständnis ist bereits der Vergleich, denn unser Glaube ist doch kein Wettbewerb. Warum freue ich mich nicht einfach für die Urgemeinde, dass es so gut lief, anstatt zu vergleichen und zu verteidigen und zu beneiden? Gott war diesen ersten Christen nahe, aber er ist mir doch nicht ferner, weil ein paar Jahrhunderte dazwischen liegen oder weil wir nicht so sehr ein Herz und eine Seele sind. Er ist uns genauso nah. Hier und heute. Denn dass ist bereits das zweite Missverständnis. Das wovon Lukas berichtet ist keine Utopie, kein Nicht-Ort, keine Phantasie. Denn eigentlich erzählt die Bibel hier vom Reich Gottes. Dort werden wir nämlich endgültig so sehr ein Herz und eine Seele sein, dass Besitz und Status keine Rolle mehr spielen. Und wo es uns gelingt, das ein wenig schon in der Gemeinde vorwegzunehmen, da wird durch die Kirche etwas sichtbar von diesem Reich Gottes, im Hier und Heute.

Denn das ist mein drittes Missverständnis: Es geht der Bibel ja gar nicht darum, von der guten alten Zeit zu berichten, es geht ihr darum, das Heute zu dieser guten Zeit zu machen.

So, nachdem ich mir das alles bewusst gemacht habe und den Weg über Widerstände und Bewunderung und Ausreden genommen habe und meinem Ärger über meinen Kleinglauben Luft gemacht habe, kann ich mich doch sehr an diesem Predigttext und seinen paradiesischen Zuständen freuen.

Früher war nicht alles besser, aber im Reich Gottes ist alles besser. Amen