Musikalischer Gottesdienst, 26.12.2021, 18:00 Uhr
mit der Kantate von Telemann: „Göttlichs Kind“ (TVW 1:1020a)
Pfarrerin Deborah Martiny

Es musizieren: Martina Seifert, Agnes Banrevy, Anne und Christian Daxer, Jörg Backeberg



Lesung: Mt 2,1-12
Drei Männer folgen einem Stern. Was für uns nach einer schönen Geschichte klingt, war für die Weisen aus dem Morgenland Wagnis und Abenteuer, aber auch ihre Berufung – die Reise, die eine große wichtige Aufgabe ihres Lebens…
Wir hören ihre Geschichte aus dem 2. Kapitel des Matthäusevangeliums:

Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.« Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Amen.

Kurzansprache „Stern aus Jakob“
Liebe Gemeinde,
manchmal beneide ich die drei Weisen aus dem Morgenland: Sie konnten den Stern mit eigenen Augen sehen, er strahlte hell und klar am Himmel. Alles,was sie tun mussten war, los zu gehen und ihm zu folgen.

So einen hellen Leitstern, den wünsche ich mir auch oft:
Immer wissen, wo es lang geht. Sicher sein, dass mein Leben ein Ziel hat. Das wäre schön!
Aber klar, so einfach war das nicht. Das weiß ich ja. Selbst wenn der Stern da oben am Himmel aufstrahlen würde – hätte ich den Mut, einfach loszulaufen? Hätte ich das Durchhaltevermögen, immer weiter und weiter zu gehen? Meinen Traum festzuhalten, mein Ziel nicht aufzugeben?
Würde mir das alles im Alltag nicht doch wieder verlorengehen?!

Für mich ist die Geschichte von den drei Weisen eine Sehnsuchtsgeschichte: Ich stelle mir vor, wie sie mit in den Himmel gewandten Blicken laufen und laufen und laufen – immer angetrieben von der großen Sehnsucht, die der Stern in ihnen auslöst:
Eines Tages anzukommen und das göttliche Kind in die Arme zu schließen.

Ich glaube, dass es ihre große Sehnsucht nach Gott war, die ihnen den Mut und die Kraft gegeben hat, tage- und wochenlang immer weiter zu gehen bis nach Bethlehem. Ihre Sehnsucht, Gott mit eigenen Augen zu sehen.

Der Textdichter, der die Worte für die Telemannkantate geschrieben hat, Tobias Henrich Schubart, hat genau diese Sehnsucht zum Thema gemacht:
„Göttlichs Kind, lass mit Entzücken,
dich doch an mein Herze drücken!“

Sehnsucht pur. Sehnsucht, bei Gott zu sein, ganz nah, ihn zu berühren und zu umarmen…

Für diese Sehnsucht findet Telemann Töne. Ob er es wohl kannte, dieses Verlangen nach Gott, nach Nähe, nach Aufbruch und Ankommen? Ich weiß es nicht – aber ich hoffe es.

Weil solche Sehnsucht uns Menschen doch erst lebendig macht.
Weil wir ohne diese Sehnsucht nach Gott viel zu schnell aufgeben. Uns einfach zufrieden geben mit dem, was ist. Das Gefühl dafür verlieren, dass da mehr ist – mehr sein muss. Weil wir ohne diese Sehnsucht nicht mehr daran glauben, dass es auch in unserem Leben ein Ziel gibt. Und dass es sich lohnt aufzustehen, loszugehen. Immer in der festen Gewissheit: Eines Tages kommen auch wir an.

Die Sehnsucht als Grundgefühl unseres Lebens und Glaubens – davon hören wir in der Geschichte der drei Weisen genauso wie in der Kantate von Telemann.
Die können auch wir entdecken, wenn wir nachts den Blick nach oben richten und in den Sternenhimmel aufschauen.
Diese Sehnsucht hat auch den drei Weisen damals genug Mut und Kraft gegeben, hunderte von Kilometern bis nach Bethlehem geführt. Durch Wüsten und Täler, über Berge und Flüsse. Dunkle und schwierige Straßen. Immer mit festem Blick auf ihren Stern.

Weihnachten erinnert uns auch in diesem Jahr daran: Jakobs Stern aufgegangen – auch für uns. Jesus Christus ist auch für unser Leben Leitstern. Er leuchtet für uns, er gibt uns Mut und Kraft.
Daran können wir uns festhalten – so wie die drei Sterndeuter vor so langer Zeit.

Lassen wir uns also jetzt mit hineinnehmen in die Kantate und in die große Sehnsucht der drei Weisen und aller Christen.
Amen.