Impuls zum Bild auf der Osterkarte

Leere Eierschalen“

Ostersonntag 2020, 6:00 Uhr

 

Ostern beginnt mit einem leeren Grab. Dort, an der leeren Höhle im Fels, zerbricht für die drei Frauen die letzte kleine Hoffnung: Den Leichnam ihres Freundes und Herrn Jesus Christus nach altem Brauch salben zu können. Jetzt stehen sie vor dem Nichts. Ihre Trauer und ihr Wunsch nach einem guten Abschied laufen ins Leere. Die Frauen sind fassungslos. Sie haben Angst.

Dieser Moment am Grab von Jesus ist keine fröhliche, jubelnde Ostergeschichte. Keine Erzählung von glücklichen Menschen, voll Freude und Hoffnung. Es ist ein Moment der Leere, der Angst und der Fassungslosigkeit. Und grade damit ist es die richtige Ostergeschichte für dieses Jahr: Leere Kirchen, Schulen und Straßen. Einsame Menschen. Kranke und Tote. Erwartungen, Hoffnungen und Pläne, die in Trümmern liegen. Die große, angstvolle Frage: Wie geht es weiter?

Die Ostergeschichte aus dem Markusevangelium passt da sehr gut. Es wird nicht ausdrücklich erzählt, wie sich die Angst der Frauen verändert. Nur ganz zaghaft, mit vorsichtigen Worten berichtet der Evangelist in den folgenden Versen seines Buches davon, wie die Nachricht der Auferstehung sich ausbreitet und immer mehr Menschen erreicht. Aber auch hier fehlt der Jubel, die überschwängliche Freude, die wir sonst an Ostern feiern.

Ich finde das gut. Dieses Osterfest soll nicht überschwänglich sein. Zu viel Leid und Angst herrscht grade auf der Welt. Jubel und laute Freude wären da unangemessen.

Aber trotzdem soll dieses Osterfest ein Fest des Lebens werden. Denn Ostern beginnt zwar mit einem leeren Grab, bleibt aber nicht dabei stehen. Der Engel sagt zu den Frauen: „Er ist auferstanden!“ Das Unvorstellbare ist geschehen: Jesus lebt. Er hat den Tod besiegt und uns allen damit die Hoffnung geschenkt, dass auch wir leben können. Wirklich leben – ohne Angst vor dem Tod aber vor allem auch ohne Angst vor dem lebendig sein. Es wird dauern, bis die Frauen diese Botschaft verstehen und weitersagen können. Es wird wohl noch mehr Zeit brauchen, bis sie sich wirklich freuen können über das, was geschehen ist. Darüber, wie Gott aus den Scherben ihrer Hoffnungen etwas Neues wachsen lässt. Wie er ihre Angst und ihre Trauer in seine Hände nimmt und sie verwandelt in neue Lebendigkeit.

So etwas geht nicht von jetzt auf gleich. Denn es geschieht hier etwas Großes, dass die Welt für immer verändert: Leere wandelt sich in Fülle. Tod wandelt sich in Leben. Das geht nur langsam. Oft genug geht es auch nur mit Umwegen. Mühsame Umwege, die uns immer wieder zurückführen an leere Gräber und zu den Scherben unserer Lebenspläne. Aber die dort nicht stehenbleiben. Immer wieder, immer wieder neu geht Gott mit uns weiter. Zeigt uns den Weg hin zur Hoffnung, hin zur Freude. Die vorsichtige, die tastende Botschaft des Osterfestes 2020 ist: Was auch geschieht, ihr werdet leben.

Das Osterfest in diesem Jahr ist kein Fest der überschwänglichen Freude. Aber es ist grade jetzt ein Fest der Hoffnung. Unsere Hoffnung auf Lebendigkeit, auf Neuanfang und auf Vergebung nicht aufzugeben, ist grade jetzt in diesen schlimmen Zeiten besonders wichtig. Das ist nichts, was schnell geht. Es ist auch nicht immer einfach. Unseren Osterglauben müssen wir immer wieder neu ausloten, ausprobieren und aushalten. An die Osterbotschaft zu glauben ist ein lebenslanges Wachstumsprojekt. Aber an diesem einen Morgen im Jahr, an Ostern, können wir neu damit anfangen.

Die leeren Eier mit den zerbrochenen Schalen, die Sie auf der Osterkarte sehen, sind genau für diese Hoffnung ein Zeichen: Ostern lässt Gott aus der Leere neues Leben wachsen. Aus den Scherben und Trümmern unseres Lebens macht er uns heil.

 

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Amen.