Gottesdienst zur Christvesper, 24.12.2021, 18:30 Uhr
Thema: „Die Krippe vorbereiten“
Pfarrerin Deborah Martiny

Musik: Annette und Jörg Backeberg, Anne und Christian Daxer


Erste Lesung (Micha 5,1+4)
Heute ist Weihnachten. Aber ist es wirklich schon Weihnachten?
Nicht nur, weil der Kalender den 24.12. zeigt – sondern auch in unseren Herzen?
Was braucht es, was brauchen wir, damit es wirklich Weihnachten werden kann?
Bei uns und auf der ganzen Welt?
Vor über 2000 Jahren fand das allererste Weihnachtsfest statt. Seitdem warten Menschen auf das letzte Weihnachtsfest – auf den Tag, an dem Jesus wiederkommt und alles neu macht. Bis dahin feiern wir jedes Jahr wieder. Weihnachten – ein Fest zwischen Erinnern und Hoffen. Zwischen Jetzt-Schon und Noch-Nicht.
Wir hören, wie der Prophet Micha ankündigt, was geschehen ist und was geschehen wird:

„Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Und er wird der Friede sein.“

Besinnung
Noch ist die Krippe ist leer.
Kein Heu. Kein Stroh. Kein Jesuskind.
Einfach leer.
Wie soll es da Weihnachten werden?
Wie soll Gott zur Welt kommen können –
wenn nichts bereit ist?
Wenn da nur eine leere Krippe steht?

Liebe Gemeinde,
es macht uns oft Angst, wenn etwas leer ist. Wenn wir sehen: Da fehlt was. Da ist Nichts – nur Leere. Eine freie Stelle in meinem Leben und meinem Herzen. Das tut weh.
Die leere Krippe aber stellt uns die Frage: Muss eine Leerstelle wirklich immer etwas Schlechtes sein?! Kann es nicht auch wertvoll sein zu spüren, dass jemand fehlt – eben weil wir ihn lieben. Kann es nicht auch wichtig sein, aushalten, dass da eine Leerstelle in mir ist; nicht jede kleine Lücke sofort zu füllen mit Arbeit, Aktivität, Spaß, Alkohol, Ablenkung?
Ja, natürlich gibt es die Lücken, die weh tun. Die unendlich schmerzhaft sind. Wenn ein geliebter Menschen stirbt. Wenn eine Beziehung zerbricht. Wenn eine wichtige Aufgaben wegfällt. Aber gilt nicht vielleicht auch hier: So eine Leere kann gut sein?!
Zeigt nicht die große Lücke, wie groß die Liebe war, wie wichtig das Miteinander, wie entscheidend meine Arbeit?!

Liebe Gemeinde,
ich wünsche mir mehr Lücken. Grade heute an Weihnachten, hier an der Krippe. Mehr leere Stellen. Mehr Mut, solche Leerstellen in unserem Leben auszuhalten. Die Leere zu ertragen.
Denn nur wenn ich Leere in mir aushalte, halte ich auch die Sehnsucht in mir wach. Die Sehnsucht nach Gott. Die Sehnsucht, ihn auch in meinem Leben zu hören und zu spüren.
Unser Glaube braucht solche Sehnsucht. Unser Glaube braucht Leerstellen.
Denn leer sein bedeutet doch auch: Offen sein.
Offen sein für Neues. Offen für Gutes. Offen sein für Gott.
Wenn alles in mir randvoll ist – dann ist da kein Platz für Gott.
So wie in Bethlehem kein Platz für Jesus war.
Damit es Weihnachten werden kann, braucht es freien Raum in mir. Es braucht Lücken. Leerstellen in meinem Herzen und meinem Leben.
Es braucht Platz für meine Sehnsucht und meine Träume, meine Wünsche. Platz für mich.
Platz für Neues, Geschenktes, Wunderbares.
Platz für Gott.
Platz, den Gott für mich füllen kann.

Noch bevor Gott die Krippe füllt,
richtet Maria sie für ihr Kind:
Keine seidene Bettwäsche.
Kein kuscheliger Schlafsack.
Nur Stroh:
Kratzendes, juckendes Stroh.
Mit Staub und Ungeziefer.
Mehr hatte Maria nicht für Gott.
Nur ein paar Tücher noch.
Schon oft gewaschen.
Mit Flecken, die nie mehr rausgehen.
Ein bisschen fadenscheinig, gebraucht und zerrissen.

Liebe Gemeinde,
das wäre uns nicht passiert, oder?! Stroh und ein dreckiges Tuch für Gott?! Wir haben doch immer alles im Griff, organisieren, planen, kaufen ein. Sind perfekt vorbereiten, bis in letzte Detail durch geplant…
Was für eine Überheblichkeit. Was für ein Hochmut zu meinen, wir könnten das Leben beherrschen. Zu glauben, unsere genauen Pläne und detaillierten Listen, unsere großen Einkäufe und perfekten Weihnachtsmenüs würden dazu führen, dass wir Kontrolle. Kontrolle über unser Leben – Kontrolle über Gott.
Weihnachten räumt auf mit dieser Illusion. Die Krippe im Stall, gefüllt nur mit Stroh und einem alten Tuch zeigt uns so deutlich, dass wir nicht daran vorbei können:
Unser Leben ist nicht perfekt. Wir sind nicht perfekt. Wir haben uns und die Welt nicht in der Hand. Wir sind unfertig, vorläufig, unklar. Unsere Seele hat Flecken und Risse. Es gibt so Vieles auch bei uns, das kratzt und juckt: Ungute Gedanken, schlimme Erinnerungen, unangenehme Begegnungen. Ich selbst mit allen meinen Fehlern und schlechten Angewohnheiten.
Unser Leben ist so wie diese Krippe:
Improvisiert. Fadenscheinig. Mit kratzigen Stellen und störendem Kleinkram. Mit Flecken und Rissen.
Unser Leben ist kein Hochglanzprospekt.
Und an Weihnachten erfahren wir: Das muss es auch nicht sein.
Das zeigt uns die Krippe: Es muss nicht alles perfekt sein. Das Weihnachtsessen nicht und meine Beziehungen zu anderen Menschen nicht.
Nicht mal meine Beziehung zu Gott muss perfekt sein.
Die erst recht nicht. An dieser Krippe ist auch nichts perfekt. Und doch hat Gott in genau so eine Krippe seinen einzigen Sohn gelegt. Mitten hinein so eine unperfekte, unfertige Krippe mit kratzigem Stroh und einem fleckigen Tuch.
Das macht uns Hoffnung, macht uns Mut:
Gott wird seinen Sohn auch in uns legen.
In unser unperfektes, kratziges, fleckiges Leben.
Heute an Weihachten kommt Gott auch zu uns.

Gott hat damals die Krippe gefüllt.
Er hat seinen Sohn geschickt.
Er schickt ihn auch heute zu uns.
In die Leerstellen unseres Herzens.
In unser unfertiges, mühsames Leben.
Dorthin kommt Gottes Sohn.
Heute, in dieser Heiligen Nacht:
Licht im Dunkel.
Unsere Sehnsucht.
Unsere Hoffnung.
Der Heiland und Retter.

Und er, er wird der Friede sein.

Zweite Lesung (Lukas 2,1-20)
Die Krippe ist bereitet.
Besser geht es nicht.
Besser muss es nicht sein.
Gott kann kommen.
Hören wir die Geschichte, wie Gottes Sohn geboren wurde:

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.“