Texte zum Sonntag Trinitatis (07. Juni 2020)

Predigttext: 2. Mose 6,22-27

Spruch zum Tag: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Kor 13,13)

Evangelium: Joh 3,1-13

Psalm: 113 (EG 761)

Eingangsgebet

Der Herr ist hoch über alle Völker, seine Herrlichkeit reicht, soweit der Himmel ist!“

(Ps 113, 4)

 

So weit der Himmel ist, Herr, bist auch du.

Wie oft habe ich in den letzten Wochen hinauf geschaut ins das helle Blau des Sommerhimmels.

Die Weite, die Freiheit, das Licht gesehen.

Ich habe es gebraucht, Herr.

Diesen Blick nach oben.

Die Erinnerung daran, dass das Chaos, die Sorgen, der mühselige Alltag in der Krise nicht alles ist.

Sondern dass da mehr ist – auch für mich.

Dass du mir Kraft gibst.

Dass du mein Herz weit machst.

Dass du mich und deine ganze Welt im Blick hast,

im Blick und in den Händen hältst.

 

Guter Gott, diesen Blick nach oben,

diesen Blick zu dir – den brauchen wir.

Bitte, Gott:

Spann Du den Himmel über uns mit seiner großen, weiten Freiheit.

Spann Du die Erde unter uns mit ihrer festen Zuverlässigkeit.

Sei du bei uns – hoch und weit, zärtlich und nah.

Sei du bei uns mit deinem Segen!

Amen.

Predigt über 4. Mose 6,22-27

Liebe Gemeinde,

irgendwie ist doch immer was zu tun. Sogar in den Zeiten des Lockdowns war das so:

Ich muss Mails beantworten. Ich muss Wäsche aufhängen. Ich muss Predigt schreiben. Ich muss Essen kochen… die Liste ließe sich ins Unendliche fortsetzen. Ich nehme an, Sie kennen das.

Einen Moment allerdings in der Woche gibt es, da muss ich gar nichts. Ein ganz kurzer Moment nur, indem ich nichts tun, nichts planen, nichts denken muss. Sondern einfach nur da sein.

Um diesen Moment geht es im Predigttext von heute. Er steht im 4. Buch Mose. Das Volk Israel ist in der Wüste unterwegs. Da spricht Gott mit Moses:

 

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.“

Seit tausenden von Jahren werden diese Worte verwendet, um Menschen im Namen Gottes zu segnen. Auch in unseren Gottesdiensten steht der so genannten aaronitische Segen immer am Ende: „Der Herr segne dich und behüte dich…“

 

Für mich ist das ein besonderer Moment. Denn Gesegnet zu werden ist etwas, was ich nicht selbst machen kann. Es ist eine der ganz seltenen Situationen in meinem Leben, bei denen es nicht auf mich ankommt. Ich kann mich nicht selbst segnen. Jemand anders muss mir den Segen – in Gottes Namen, von ihm beauftragt – geben, auflegen, schenken.

Das kann ich nicht selbst.

Klar, ich kann ein Buch in die Hand nehmen und Segensverse lesen, aber das ist doch nicht dasselbe. Da fehlt das gesprochene Wort, die direkte Zusage.

Den Segen ganz direkt von Angesicht zu Angesicht zugesprochen zu bekommen, ist für mich etwas ganz anderes – viel eindrücklicher, viel wirkmächtiger.

 

Jemand spricht über mir Gottes Segen aus.

Und zwar gar nicht unbedingt jemand, der mich mag oder besonders gut findet.

Oft genug spricht da jemand, der mich nicht kennt. Oder mich vielleicht nicht leiden kann.

Und trotzdem spricht er mir Gottes Segen zu – trotzdem gibt er mir das Beste, was er mir geben kann: Das Versprechen, dass Gott bei mir ist und mich segnet.

 

Für mich macht genau das ganz deutlich:

Gottes Segen hängt nicht von mir ab.

Er hängt nicht davon ab, wie klug und leistungsfähig ich bin.

Es kommt nicht darauf an, dass ich besonders schön und belastbar bin.

Sein Segen hängt nicht davon ab, ob ich wichtig bin oder erfolgreich oder glücklich.

Ich kann mir Gottes Segen nicht verdienen, nicht kaufen, nicht erarbeiten.

Es reicht, dass ich bin. Weil ich da bin, weil ich Mensch bin, werde ich gesegnet.

 

An keinem anderen Punkt spüre ich so deutlich, was gemeint ist, wenn wir sagen, dass Gott uns bedingungslos liebt. Keine Bedingungen, keine Leistungen, keine Voraussetzungen. Sondern einfach: Wir sind geliebt, wir sind gesegnet.

 

Aber der aaronitische Segen, geht sogar noch weiter: Nicht nur: Ich bin da und deshalb bin ich gesegnet – sondern: Ich bin da und trotzdem bin ich gesegnet.

 

Das wird deutlich, wenn wir uns anschauen, wie eng im Text das Segnen mit dem Sehen zusammenhängt.

Zweimal wird das „Angesicht Gottes“ im aaronitischen Segen erwähnt:

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir…

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich…

 

Gott sieht uns Menschen an.

Das wird in der Bibel immer und immer wieder erzählt. im Alten und im Neuen Testament.

Gottes Angesicht, seine Augen, sein Blick… immer wieder wird berichtet, dass sie auf uns ausgerichtet sind.

Unser Gott sieht uns an.

 

Angesehen werden ist ein menschliches Grundbedürfnis – wer Kinder hat, der weiß das: „Mama, guck mal!“ ist so ein Satz den man jeden Tag gefühlt mehrere hundert mal hört.

Angesehen werden, dass hat mit wahrgenommen werden, ernst genommen werden zu tun.

Angesehen werden, das heißt: Da ist jemand, dem ich wichtig bin. Jemand, der mich liebt.

Aber wer Kinder hat, weiß auch, wie schnell sie lernen, dass es manchmal besser ist, wenn Mama nicht alles sieht: Die Sauerei im Kinderzimmer, den Kratzer in den Möbeln, die Nutella-verschmierte Schnute.

 

Auch das ist eine Erfahrung, die uns unser Leben lang begleitet:

Wer mich sieht, der sieht im Zweifelsfall auch Sachen, die lieber niemand sehen sollte.

Wer mich sieht und erkennt, der sieht auch meine dunklen Seiten, meine Verletzlichkeit, meine Abgründe.

Deshalb ist die Vorstellung, dass Gott uns anschaut und uns sieht, gar nicht immer angenehm.

Denn er sieht auch das, was ich selbst nicht sehen will. Weil ich mich dafür schäme, weil es mir peinlich ist, weil ich nicht dran denken will.

Gott sieht das alles.

Aber: Er segnet uns – trotzdem.

 

Er sieht uns nicht an, weil er uns beurteilen oder verurteilen will.

Er sieht uns an, weil er uns segnen will.

Was er sieht, wenn er uns anschaut – egal, wie dunkel und unangenehm es ist – ändert daran nichts: Er segnet uns.

 

Diese große Zusage steckt im Predigttext:

Gott sieht uns und segnet uns – nicht weil er uns sieht und erkennt, sondern obwohl er uns sieht und erkennt.

 

Liebe Gemeinde,

der Segen am Ende des Gottesdienstes ist für mich jedesmal wieder ein besonderer Moment. Dann, wenn ich vorne stehe und ihn über anderen aussprechen kann – was gibt es Besseres, als Ihnen das sagen zu dürfen?! „Der Herr segne Dich…“

Aber auch, wenn ich in der Gemeinde stehe und den Segen empfange. Dann ist es ein Moment, in dem ich ganz da sein, ganz ich sein kann – mit allen meinen Fehlern und Abgründen – und trotzdem werde ich liebevoll angesehen und gesegnet.

Ein Moment zum Aufatmen und Kraft tanken. Ein Moment, in dem ich spüre: So wie ich bin, bin ich von Gott geliebt.

Amen.

 

 

Liedvorschläge zum anhören oder mitsingen:

NL 139 „Geh unter der Gnade“

anzuhören auf https://www.youtube.com/watch?v=QYK3rE3E6Eo

 

NL 44 „Gott, dein guter Segen“ (für Kinder)

anzuhören auf https://www.youtube.com/watch?v=S_WpqjCIzWU

 

EG 171 „Bewahre uns Gott“

anzuhören auf https://www.youtube.com/watch?v=IopcSexAVls

 

EG 170 „Komm, Herr, segne uns“

anzuhören auf https://www.youtube.com/watch?v=3ok5wqIln_8