Texte zum Ostersonntag 12. April 2020)

Predigttext: 1. Kor 15,12-28 (einige ausgewählte Verse)

Spruch zum Tag: „Christus spricht: Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ (Offb 1,18)

Evangelium: Mk 16,1-8

Psalm: 118 (EG 763.2)

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

der Tod ist zur Zeit allgegenwärtig. 2000 Tote an nur einem Tag in den USA, 18.000 in Italien seit Beginn der Pandemie. Weltweit werden es Ostern wohl um die 100.000 Menschen sein, die an Corona gestorben sind. Über die vielen anderen, die in den Flüchtlingslagern an der griechischen Grenze sterben, in Afghanistan von Bomben zerfetzt werden oder im Südsudan verhungern, spricht schon gar niemand mehr. So viele Tote. So viel Tod. Allgegenwärtig, mächtig, unausweichlich. Und das heute, an Ostern.

Auch der Predigttext für den Ostersonntag erzählt uns vom Tod. Er steht im 1. Brief an die Korinther, im 15. Kapitel. Der Gemeinde in Korinth geht es wie uns zur Zeit: Sie erleben die Macht und die Allgegenwart des Todes. Und sie machen sich Gedanken, wie sie mit diesem Wissen angesichts des Todes leben und hoffen können. Paulus schreibt ihnen dazu einen Brief. Ich lese einige Verse seiner Antwort:

 

12 Nun lautet die Verkündigung: »Christus wurde vom Tod auferweckt!« Wie können dann einige von euch sagen, »Es gibt keine Auferstehung der Toten«? 13 Wenn es nämlich keine Auferstehung der Toten gibt, dann wurde auch Christus nicht auferweckt. 14 Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann hat unsere Verkündigung keinen Sinn. Auch euer Glaube ist dann sinnlos. (…) 19 Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen. 20 Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen. (…) 22 Weil wir mit Adam verbunden sind, müssen wir alle sterben. Aber genauso werden wir alle lebendig gemacht, weil wir mit Christus verbunden sind. 23 Das geschieht für jeden nach dem Platz, den Gott für ihn bestimmt hat: als Erster Christus. Danach, wenn Christus wiederkommt, alle, die zu ihm gehören. 24 Dann kommt das Ende: Christus übergibt Gott, dem Vater, die Herrschaft über sein Reich. (…) 26 Der letzte Feind,den er vernichten wird, ist der Tod. (…) 28 Sobald ihm nun alles unterworfen ist, wird auch der Sohn selbst sich unterwerfen: Er wird sich Gott unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat. Dann umfasst Gott alles und ist in allem gegenwärtig.“

 

Wir können dem Tod nicht ausweichen, ihn nicht ignorieren, uns nicht vor ihm verstecken. Auch wenn wir das gerne würden. Die Korinther wissen das. Und wir – wenn wir ehrlich mit uns sind – wissen das auch. Der Tod hat Macht. Das haben Menschen schon immer erlebt. Das erlebt jeder, der von einem geliebten Menschen Abschied nehmen muss – egal, ob wegen Corona oder einer anderen Erkrankung. Selbst wenn ein alter Menschen nach einem langen erfüllten Leben friedlich in seinem Bett einschläft und wir sagen können: „Es war eine Erlösung!“ spüren wir diese Macht. Der Tod beendet, was uns als Person, als ICH ausmacht. Er zerreißt alle Beziehungen. Er zerstört, was wir waren, unsere Existenz, unser Leben, unser Hier-Sein. So viel Macht hat der Tod. Das können wir nicht leugnen.

Auch heute nicht, an Ostern.

Grade heute nicht. Grade heute, wenn wir das Leben feiern, dürfen wir die Macht des Todes nicht ausblenden. Grade heute müssen wir über den Tod reden. Denn Ostern ohne den Tod gibt es nicht. Jedes Osterfest muss sich auch mit dem Tod beschäftigen. Und in diesem Jahr, wo er wegen der Pandemie so allgegenwärtig ist, ist das noch wichtiger als sonst.

Ostern gibt es nur, weil es den Karfreitag gab. Das neue Leben entsteht aus dem Tod. Jesus Christus ist gestorben und auferstanden. Ostern gehört das zusammen: Tod und Leben. Aber Ostern verändert es auch, verändert beides: Ostern verändert unser Leben und unseren Tod.

Ostern hat dem Tod nicht seine Macht genommen. Trotz Ostern sterben Menschen. Das sehen wir ja grade in diesem Jahr, wo in den Feiertagen die Zahl der Infizierten und der Toten noch einmal so ansteigt. Der Tod ist und bleibt eine Macht in unserem Leben.

Aber Ostern ist mächtiger.

Auf meiner letzten Stelle als Pfarrerin in drei kleinen Dörfern habe ich regelmäßig an Sterbebetten Aussegnungen gehalten. Und bei diesen Aussegnungen gab es einen Satz, der mich jedes mal wieder beeindruckt und berührt hat und der für mich grade in diesem schlimmen Jahr die Osterbotschaft so gut zusammenfasst wie sonst nichts. In der Aussegnungsliturgie heißt es: „An diesem Sterbebett begegnen wir der Macht des Todes, der keiner von uns entgehen kann. Aber Tod und Leben sind umfangen von der Macht des lebendigen Gottes.“

Ja, der Tod ist mächtig. Das weiß jeder, der je einen geliebten Menschen hergeben musste. Aber Gott ist mächtiger. Darum geht es an Ostern. Gott hat mit der Auferstehung Jesu den Tod nicht abgeschafft. Noch nicht. Aber er hat ihn besiegt. Er hat gezeigt: „Ich bin mächtiger. Die vielen Menschen, die sterben, gehören nicht dem Tod. Sie gehören zu mir.“

Das ist die klare Ansage, die Gott in der Auferstehung macht. Er besiegt den Tod und verändert damit unser Leben und unser Sterben.

 

Paulus sagt im Predigttext deutlich: Das ist der Grund, das Fundament unseres Glaubens. Anders können wir nicht leben – sonst sind wir „bedauernswerter als alle anderen Menschen.“ (Vers 19). Wenn wir nicht an die Auferstehung der Toten glauben, können wir weder gut leben noch gut sterben.

Das ist eine Wahrheit, die ich bei jeder Beerdigung spüre. Dort, am Grab eines Menschen, der gelebt hat und geliebt wurde, gibt es nichts zu sagen gegen die Macht des Todes als genau das: „Jesus ist auferstanden und wir werden auferstehen.“ Das ist der größte, der einzige Trost, den ich den trauernden Angehörigen mitgeben kann. Alles andere verstummt angesichts des Todes. Alles andere wird banal und lächerlich angesichts der Trauer der Menschen. Keine Vertröstungen, kein billiger „Ist doch nicht so schlimm“-Trost. Der verbietet sich von selbst. Sondern ein klares: „Ja, es ist so schlimm. Ja, der Tod hat Macht. Aber er hat nicht das letzte Wort. Gottes Liebe ist mächtiger. Und wir werden auferstehen.“ Mehr gibt es nicht zu sagen an einem offenen Grab. Aber eben auch nicht weniger.

 

Aus diesem Glauben leben wir und zu diesem Glauben hin leben wir. Und wenn wir so leben, dann sind wir absolut nicht bedauernswert – dann sind wir mutig und hoffnungsvoll und fröhlich. Nicht immer natürlich – zu viel Leid und Trauer gibt es auf der Welt. Aber immer wieder. Und vor allem angesichts des Todes.

Leben, obwohl wir sterben müssen. Leben, grade weil wir sterben müssen. Das finde ich eine so schöne Vorstellung. Anreden und vor allem an-leben gegen den Tod. Sein Macht immer wieder im Kleinen brechen, indem wir sagen und singen und uns zurufen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Das ist Ostern.

 

Jesus hat den Tod besiegt. Er hat ihn nicht abgeschafft – das wird er erst am Ende der Zeiten tun: „Der letzte Feind, den er vernichten wird, ist der Tod“ sagt Paulus (Vers 26). Das geschieht am Ende der Zeit, wenn Jesus wiederkommt auf diese Erde. Dann wird er alles verändern und kein Mensch wird mehr sterben müssen. Bis es soweit ist, leben wir mit dem Tod. Leben wir dem Tod zum Trotz.

Und heute, an Ostern feiern wir genau diese Art von Leben. Wir leben, weil wir den Tod und seine Macht kennen. Aber das macht uns keine Angst. Denn Gottes Macht umfängt unser Leben und unser Sterben:

Der Herr ist auferstanden er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Liedvorschläge zum anhören oder mitsingen:

EG 99 „Christ ist erstanden“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=l7m713y4xN8

 

EG 115 „Jesus lebt, mit ihm auch ich“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=mNwFqid0uZ0

 

EG 116 „Er ist erstanden, Halleluja!“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=8yQCDNl6CM0

 

NL 169 „Komm und lobe den Herrn“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=y1FgIF_1yys