Predigt über Eph 5,1-9 (10) am Sonntag Okuli (07.03.2021)
Pfarrerin Deborah Martiny
Der Predigttext für heute steht im Epheserbrief, im 5. Kapitel. Ich lese die Verse 1-8 aus der Basisbibel:
„Nehmt euch also Gott zum Vorbild! Ihr seid doch seine geliebten Kinder. Und führt euer Leben so, dass es ganz von der Liebe bestimmt ist. Genauso hat auch Christus uns geliebt und sein Leben für uns gegeben – als Opfer und als Duft, der Gott gnädig stimmt.
Über Unzucht, jede Art Unsittlichkeit oder auch über Habgier sollt ihr nicht einmal reden. Denn das gehört sich nicht für Heilige. Ihr sollt nichts sagen, das andere herabsetzt, nicht dumm daherreden und keine zweideutigen Witze machen. Das ist nicht angemessen! Bringt vielmehr euren Dank zum Ausdruck. Denn eines müsst ihr wissen: Jede Art von Unzucht, Unsittlichkeit und Habgier ist ja nichts anderes als Götzendienst. Wer dies tut, erhält kein Erbe im Reich von Christus und von Gott.
Niemand soll euch mit leeren Versprechungen verführen. Denn wegen solcher Dinge bricht der Zorn Gottes über die Menschen herein, die ihm nicht gehorchen. Mit solchen Leuten dürft ihr nichts zu tun haben! Früher habt ihr nämlich selbst zur Finsternis gehört. Aber jetzt seid ihr Licht, denn ihr gehört zum Herrn. Führt also euer Leben wie Kinder des Lichts! – Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.“
Amen.
Liebe Gemeinde,
es gibt so Wörter, die habe ich vor der Pandemie nie benutzt. Inzwischen gehören sie fest zu meinem Alltag. Und ich meine weder die Maskenpflicht noch die Inzidenzwerte – heute geht es mir um die Grauzone.
Immer, wenn ich mal wieder die neuen kirchlichen Corona-Regeln durchforste, taucht dieser Begriff auf:
Manchmal steht da „die Gemeinde ist verpflichtet“. Klare Sache, keine Grauzone vorhanden, da geht kein Weg dran vorbei.
Aber viel öfter steht da „wir empfehlen“ oder „die Gemeinde sollte“ oder sogar „der Kirchengemeinderat entscheidet“ – und zack, geht sie los, die Suche nach:
Was ist verantwortbar? Was ist möglich? Was können wir machen?
Eben die Suche nach guten Lösungen in einer Zone dazwischen. Zwischen erlaubt und verboten.
In der Grauzone, wo wir abwägen müssen und prüfen und überlegen und entscheiden.
Da ist viel Spielraum – und oft auch viel Freiraum.
Im Predigttext ist allerdings nichts grau. Da gibt es kein Dazwischen, sondern klare Trennlinien.
Hier herrscht ein eindeutiges schwarz – weiß.
Finsternis und Licht. Gut und Böse. Richtig und Falsch.
Es ist eindeutig – und sehr eindrücklich – wie der Verfasser sagt:
„Früher wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht!“
Aber im echten Leben finde ich das oft absolut nicht eindeutig:
Was ist denn jetzt richtig – was ist falsch?
Besonders in Corona-Zeiten kann das eine echt heftige Entscheidung sein:
Lasse ich mich impfen?
Fahre ich meine Eltern besuchen oder nicht?
Verabrede ich mich, obwohl es im Hals kratzt?
Und auch für uns als Gemeinde ist es oft mühsam zu entscheiden, welche Angebote wir momentan verantworten können.
Das sind alles Fragen, da gibt es nicht die EINE richtige Antwort. Da geht es um Meinungen, Ideen, Einschätzungen… Und grade die einfachen Lösungen stellen sich im Nachhinein oft genug als falsch heraus.
Irgendwie bewegt sich unser Leben doch eher in Grauzonen.
Nicht völlig in der Finsternis, nicht völlig im Licht.
Wir treffen unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen, obwohl vielleicht alles ganz anders ist. Oder die Entscheidung nur halb richtig ist. Oder halb falsch.
Grau in grau.
Der Text nennt ja zielsicher die Bereiche, in denen wir oft am allermeisten rumeiern ohne einen sinnvollen Standpunkt zu finden.
Habgier – wie viele T-Shirts im Schrank sind denn genug? Gibt´s da Regeln zu?
Unzucht und Unsittlichkeit – was heißt dass denn genau in einer Gesellschaft, die für Aufklärung und sexuelle Selbstbestimmung eintritt? Und wer bestimmt, was erlaubt und was verboten ist?
Dumm daherreden und anzügliche Witze sind ja schon eher Geschmackssache…
Wiedermal mehr Fragen als Antworten.
Grau in Grau.
Aber der Verfasser des Epheserbriefes sagt:
Da gibt es Licht.
Da gibt es Finsternis.
Da gibt es ein klares Gut und ein klares Böse – erlaubt und verboten.
Und das ist gut so.
Wir brauchen klare Ansagen.
Ohne Schwarz – Weiß, immer nur im grau können wir nicht leben.
Das Suchen nach Grauzonen und Freiräumen in den kirchlichen Corona-Vorschriften geht zum Beispiel nur, weil ganz eindeutig geregelt ist: Das ist verboten. Und das ist erlaubt.
Zwischen diesen beiden Polen orientieren wir uns aktuell in unserer Arbeit im KGR.
So wie wir uns als Christen in allem, was wir tun, zwischen den beiden Polen Finsternis und Licht orientieren.
Es muss eine klare Ansage geben: So nicht. Das ist Finsternis.
Und genauso muss es einen klaren Orientierungspunkt im Guten geben.
Ein deutliches: So sollt ihr leben – in Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Sonst wäre unser christlicher Glaube ohne Bezug zu unserem Leben, ohne Verankerung, ohne Konsequenz – und damit auch egal.
Wir brauchen die Warnung vor der Finsternis genauso wie wir das Licht brauchen – sonst wüssten wir nicht, wohin mit unserem Leben, woran uns orientieren bei Entscheidungen.
Der Verfasser des Epheserbriefes gibt uns mit dieser klaren Trennung Finsternis – Licht so einen klaren Orientierungspunkt.
Er drückt das drastisch aus: „Früher ward ihr Finsternis, jetzt seid ihr Licht.“
Aber im Grunde ist es auch für ihn eher eine Bewegung hin zum Licht.
Wenn es so einfach wäre – jetzt IST es so, jetzt sind wir Licht – hätte er den Brief ja nicht schreiben müssen.
Er weiß ganz genau, dass sich unser menschliches Leben eher in Grauzonen abspielt.
Und dass das, was wir machen, eher eine Suchbewegung ist.
Ein Ausprobieren. Ein Weg.
Aber eben ein Weg mit einem klaren Ziel: Dem Licht Gottes.
Das ist übrigens ein wichtiger Punkt:
Es ist das Licht GOTTES, das für uns scheint:
„Aber jetzt seid ihr Licht, denn ihr gehört zum Herrn.“
„Nehmt euch also Gott zum Vorbild!“
Nicht wir bestimmen, wo das Licht ist.
Nicht wir entscheiden, was Liebe ist.
Nicht wir legen fest, was richtig und falsch ist.
Es wird uns gesagt.
Gott ist der Maßstab.
Das ist wichtig! Denn sonst wird es ja wieder beliebig.
Es gibt Menschen, die immer ganz hundertprozentig zu wissen meinen, was Jesus will und was Gott möchte. Und das sind oft diejenigen, die am heftigsten andere kritisieren, herabsetzen oder entwürdigen. Grade im Bereich der Sexualität – den der Epheserbrief hier ausdrücklich anspricht. Da hat die Kirche und ihre Entscheidungsträger eine unrühmliche Vergangenheit mit Missbrauch, Unterdrückung und Hasstiraden.
Es ist gefährlich, wenn wir vorschnell denken, wir wüssten, wo und wie Gottes Licht leuchtet. Wenn wir beschließen, genau zu wissen, was Gott will.
Jesus hat mal gesagt: ICH bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Er hat nicht gesagt: Deine persönliche Meinung ist der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Und der heutige Predigttext ist da gut geeignet, um zu sagen: Vorsicht!
Gott ist Euer Vorbild.
Ihr sollt Euch an seinem Licht orientieren.
Nicht alles, was ihr Licht nennt, ist wirklich hell.
Und manchmal sind grade die Sachen, die Ihr für Licht haltet, tiefste Finsternis.
Grade weil wir uns meistens in Grauzonen bewegen, müssen wir immer wieder neu schauen, was wirklich richtig und gut ist. Das ist nichts, was wir einmal entscheiden und dann ist es für den Rest des Lebens ein Stein gemeißelt. Wir leben nun mal in einem „Dazwischen“. Und in diesem Dazwischen mit seinen vielen Grautönen müssen wir unsere Meinungen und Entscheidungen dauernd prüfen und neu an Gott ausrichten.
Das ist die eine Seite des Predigttextes: Die klare Aufforderung moralisch und gut zu leben.
Die andere Seite ist eine Zusage.
Denn dort heißt es: Ihr SEID Licht.
Für den Schreiber ist das Licht Gottes nicht nur etwas außerhalb von uns selbst, sondern auch etwas, das zu uns dazugehört. Was Teil von uns ist.
Wir sind Licht.
Das ist ein spannender Gedanke.
Nicht immer nur zu denken: Was ist schlecht in meinem Leben, was mache ich falsch, was muss ich ändern, was sollte ich alles noch tun und erledigen und erreichen… sondern zu überlegen:
Was in mir ist Licht?
Wo leuchte ich – für mich und andere?
Liebe Gemeinde,
ich finde das einen sehr tröstlichen Gedanken.
Grade aktuell, wo das Leben so mühsam ist, weil wir dauernd neu entscheiden müssen, neue Wege suchen müssen, uns neue Meinungen erarbeiten müssen.
Grade da finde ich die Vorstellung schön, dass wir einen Teil von Gottes Licht in uns tragen.
Es wird uns helfen, diese anstrengende und beängstigende Zeit zu überstehen.
Es wird uns helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Und vor allem: Es wird uns leuchten und uns wärmen. Was auch geschieht.
Amen.