Predigt über Epheser 1, 18-23 von Pfarrer Moritz Martiny

Predigttext
Ein ganz neuer Horizont weitet sich durch Himmelfahrt. In Christus sind Himmel und Erde nun untrennbar verbunden. Das verändert unseren Blick auf Gott und die Welt. Dazu schreibt der Apostel im ersten Kapitel des Epheserbriefes:

Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist, die wir glauben durch die Wirkung seiner mächtigen Stärke. Mit ihr hat er an Christus gewirkt, als er ihn von den Toten auferweckt hat und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und jeden Namen, der angerufen wird, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Amen


Predigt
Liebe Gemeinde,
Jetzt steht also eine hohe Betonwand hinter mir.
Vom weiten Horizont will ich reden.
Da wären Schneckenmatt und Wind und Wolken der passende Hintergrund gewesen.
Nicht ohne Grund feiern viele Gemeinden Himmelfahrt unter freiem Himmel.
Nicht nur weil der Himmel im Titel steckt, sondern auch wegen des Themas
Himmelfahrt ist Horizonterweiterung.
Jesus erweitert seinen Horizont und auch für uns tun sich ganz neue Weiten auf.
Himmelfahrt ist Horizonterweiterung
Das gilt zum einen für Jesus, das gilt zum anderen aber auch für uns.
Himmelfahrt ist Horizonterweiterung Jesu:
40 Tage nach Ostern lässt Jesus seine Jünger auf dieser Erde zurück und wird selbst in den Himmel aufgenommen.
Es ist schade, ihn nicht mehr so von Mensch zu Mensch auf dieser Erde zu haben und zu erleben.
Es ist aber auch sehr sinnvoll. Stellt man sich vor, Jesus wäre an einem bestimmten Ort auf dieser Erde anwesend: Wir hätten keine Chance, ihm zu begegnen. Bei rund sieben Milliarden Menschen wären es, damit jeder innerhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung mal drankommt, immer noch über drei Menschen pro Sekunde. Das kann nicht funktionieren.
Sein Versprechen „Siehe, ich bin bei euch, alle Tage bis an der Welt Ende“ ist logischerweise unter den Bedingungen von Raum und Zeit nicht realisierbar.
Deshalb fährt er in den Himmel, um uns so nahe zu sein.
Das klingt zunächst widersprüchlich: Himmel ist doch weit weg, wie soll das nah sein.
Man kann es aber seit einigen Jahren gut erklären: Denn die Technik hat diese Idee übernommen und das ganze als auch noch als „Wolke“, als „cloud“ bezeichnet.
Und das wiederum kann man sich doch heutzutage sehr gut vorstellen: Durch die cloud komme ich an jedem Ort mit Internetanschluss an meine Daten.
Durch Christi Himmelfahrt komme ich von jedem Ort und zu jeder Zeit an ihn heran und er an mich.
Was zunächst wie eine Ferne aussieht, ist also in Wirklichkeit eine beeindruckende Nähe.
Jesu Horizont ist nun grenzenlos: Raum und Zeit fassen ihn nicht. Immer und überall ist er bei uns:
Er ist hier unter uns, wenn wir Gottesdienst feiern.
Er ist da wenn wir lachen oder weinen.
Er wird an unserem Sterbebett sitzen und freut sich mit uns, wenn uns die Frühlingssonne ins Gesicht strahlt.
Er ist da. Bei uns. Das ist Himmelfahrt.
Damit wird Himmelfahrt auch zu einer Horizonterweiterung für uns:
Das ist die Schlussfolgerung, die der Apostel in unserem Predigttext zieht:
Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist, die wir glauben durch die Wirkung seiner mächtigen Stärke.
„Erleuchtete Augen des Herzens“ sind ein sehr seltsames Bild.
Unser Herz hat einen sehr eingeschränkten Horizont. Unser Herz ist genau genommen nicht wirklich fähig zu sehen.
Der Apostel betont aber, dass das durch Gott möglich wird.
Der weltumspannende und zeitumspannende Horizont des in den Himmel aufgefahrenen Christus färbt nämlich auf uns ab.
Diese Nähe kann und soll dazu führen, dass wir die Welt, unsere Mitmenschen und auch uns selbst mit anderen Augen sehen, nämlich mit Gottes Augen.
Unser Horizont ist doch recht begrenzt und der Blick für den anderen oft nicht frei.
Für das Auge gilt: Nicht nur, wenn wie heute eine feste Betonwand hinter mir die Sicht versperrt. Selbst unter idealen Bedingungen am Meer wäre ja schon nach fünf Kilometern Schluss.
Für das Herz gilt: Auch da gibt es Mauern, die mir die Sicht versperren: Meine Angst etwa oder dass mir die Kraft für den anderen fehlt oder dass ich gar nicht weiß, wo ich hinschauen soll angesichts all der vielen Aufgaben.
Erleuchtete Augen des Herzens, die gibt es nur durch Gott. So sagt es der Predigttext. Der Horizont unseres Herzens weitet sich erst durch die weite des göttlichen Horizontes.
Darum ist Himmelfahrt auch für uns eine Horizonterweiterung.
Was das alles bewirkt und wie es mich verändert hören wir gleich im Lied. Nochmal ausführlich.
Der Predigttext verspricht: Dadurch erkenne wir die Hoffnung und die Herrlichkeit und die Kraft und die Stärke Gottes.
Liebe Gemeinde,
Jetzt steht da also diese große Betonwand hinter mir, während ich über den weiten Horizont predige.
So ist das manchmal im Leben.
Aber in einem Punkt ist es sogar von Vorteil.
Denn das, was ich gerade versucht habe auszudrücken, hat der Architekt dieser Kirche mit eingebaut.
Ganz bewusst lässt er das Licht von hinten-oben in den Altarraum herein. Das Licht des Himmels bescheint die Betonwand.
Mit dem Himmel sind wir verbunden und über ihn mit der ganzen Welt.
Himmel und Erde sind seit Christi Himmelfahrt verbunden. Der Himmel lässt die Erde in neuem Licht erscheinen. Unser Horizont ist nicht beschränkt, wenn unser Herz die Welt mit Gottes Augen sieht. Amen