Nacherzählung von Lk 15 von Pfrin. D. Martiny und Predigt von Natacha Ourizale.
Nacherzählung: Der verlorene Sohn (Lk 15)
Pfarrerin Deborah Martiny
Ein Vater lebt mit seinen beiden Söhnen auf einem großen Hof. Der Jüngere der Beiden ist ein lebhafter Junge. Den ganzen Tag über gibt es für ihn auf dem Hof etwas zu entdecken. Und oft vernachlässigt er darüber seine Arbeit. Dann macht sich sein Vater Gedanken über ihn: Ob er seinen Weg im Leben findet? Eines Tages geht der Jüngere zu seinem Vater: ,,Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Ich möchte es ausbezahlt haben, denn ich will in die Welt hinausgehen.” Und so zahlt der Vater ihm das Erbe aus.Der jüngere Sohn packt seine Sachen, verabschiedet sich und zieht los. Er will die Welt entdecken. Er will sein Glück finden. Und es geht ihm gut dabei. Er macht sich keine Gedanken um den nächsten Tag. Warum auch? Er hat alles, was er will: Essen und Trinken, schöne Kleider, viele Freundinnen und Freunde. Mit seinem Geld kann er sich jeden Wunsch erfüllen. Doch mit dem Geld ist das so eine Sache. Eines Tages ist es aufgebraucht. Und dann merkt er: Schnell sind auch alle Freunde fort. Er denkt bei sich: ,,Was habe ich nur gemacht? Das Erbe meines Vaters ist nicht mehr da. Meine Freunde sind weg. Ich habe nichts mehr zu trinken und zu essen. Was soll ich nur tun?” Der Hunger wird immer größer, aber niemand gibt ihm etwas zu essen. Endlich findet er Arbeit auf einem Bauernhof, als Schweinehirt. Das ist harte und dreckige Arbeit. Manchmal, wenn niemand hinsieht, greift er in die Bottiche mit dem Fraß der Schweine. So groß ist sein Hunger. Nichts mehr ist geblieben von seiner Fröhlichkeit. Immer öfter kommt ihm jetzt sein Vater in den Sinn. Aber er denkt: ,,Das ist nicht mehr mein Zuhause. Ich habe alles falsch gemacht!“ Aber der Gedanke an den Vater lässt ihn nicht los. „Den Knechten auf Vaters Hof geht es besser als mir. Ich werde zurückkehren und ihm sagen: Vater, ich habe es falsch gemacht! Es tut mir leid! Ich verdiene nicht, dass ich dein Sohn bin. Aber bitte, lass mich als Knecht bei dir arbeiten“. Er macht sich auf den langen Weg nach Hause. Langsam geht er, denn seine Schritte sind schwer. Immer wieder sagt er den Satz: ,,Ich habe alles falsch gemacht, es tut mir leid! Lass mich als Knecht bei dir arbeiten!” Endlich taucht in der Ferne der Hof seines Vaters auf.Der Vater hat seinen Sohn nicht vergessen. Als er ihn von weitem sieht, läuft er ihm entgegen und fällt ihm um den Hals. Lange stehen sie so da: Der alte Vater, stattlich gekleidet, und sein jüngster Sohn, abgerissen, dreckig und weinend. Nach einiger Zeit flüstert der Sohn: ,,Vater, meine Wege waren falsch. Es tut mir leid. Ich bin nicht wert, dein Sohn genannt zu werden.“ Doch was macht der Vater? Er ruft alle auf dem Hof zusammen: ,,Schnell, schnell! Holt Kleider und Schmuck, sorgt für meinen Sohn, steckt ihm einen Ring an und kleidet ihn wie meinen Sohn! Schlachtet das Mastkalb! Wir wollen feiern und fröhlich sein! Seht her, mein Sohn ist wieder da!“ Und sie feiern ein großes, fröhliches Fest!
Predigt zu Lk 15
Natacha Ourizale
Liebe Gemeinde, es fühlt sich echt gut an, recht zu haben. Man fühlt sich groß und fehlerfrei. In einer Serie, die ich gerne schaue, gibt es einen Mann, der jedes Mal tanzt, wenn man ihm sagt, dass er recht hat. Er hat sogar einen speziellen Tanz dafür. Das ist ein tolles Gefühl. Und wir sind so stolz darauf, dass wir oft nicht sehen wollen, wenn wir unrecht haben oder falsch liegen. Oder wir können auch gar nicht sehen und wahrnehmen, dass wir jemanden verletzt haben. So schieben wir immer die Schuld auf andere, weil wir recht behalten wollen und gut dastehen wollen. Wir haben eben in der Geschichte vom verlorenen Sohn gehört, wie der jüngste Sohn seinen Erbteil eingefordert hat und einfach damit losgezogen ist. Es braucht auch echt viel Mut, so zu handeln. Er war bestimmt sehr stolz auf sich selbst, dass er diesen Schritt gemacht hat. Naja, sein Vater lebt noch und schon will er seinen Anteil der Erbe. Aber in diesem Moment war für ihn alles normal und er war sicher, dass er das Richtige tut. Dann hat er aber alles ausgegeben, bis er gar nichts mehr übrig hat. Und er fragt sich, was er machen soll. Soll er in dieser Armut bleiben oder zu seinem Vater zurückkehren? Wenn solche Situationen uns passieren, fühlen wir uns in die Enge getrieben, dann kommen so vielen Fragen: „Was werden die anderen über mich denken, wenn sie erfahren, dass ich mit der Sache etwas zu tun habe?“ „Der hat doch den Streit angefangen und warum muss ich derjenige sein, der unrecht hat?“ „Sie wird bestimmt böse auf mich sein, wenn sie erfährt, dass ich das letzte Stück vom Kuchen genommen habe!“ „Also, ich war es nicht!“ Es ist nicht leicht seine Fehler zu gestehen, nicht nur weil wir stolz sind, sondern auch weil wir Angst haben. Wie werden die anderen reagieren? Ja, ich war‘s! Und jetzt? Was passiert jetzt? Werden sie mir vergeben? Kein Mensch ist perfekt, auch wenn wir uns Mühe geben, immer das Richtige zu tun und denken, dass wir immer die richtigen Entscheidungen treffen. Aber dann, wenn wir merken, dass es nicht richtig war, dass es ein Fehler war, dass wir jemanden verletzt haben, fühlen wir uns schlecht und schämen uns. Manchmal vermeiden wir den Blick dieser Person. Und oft merken wir nicht, dass das alles auf uns lastet. Wir tragen dann viele schwere Steine mit uns herum. Und es braucht viel Mut, seine Fehler zu gestehen, zu bereuen und endlich zu sagen: „Ich war’s!“, und sich zu entschuldigen – wie der Sohn aus der Geschichte. Ich hatte mal einen Streit mit meiner Mutter am morgen früh vor der Schule. Glaubt mir, wenn sie wütend ist, kann sie die ganze Stadt hören! Sie ist zur Arbeit gegangen und ich in die Schule. Ich war mir sicher, dass ich recht hatte. Aber als ich mir alles nochmal überlegt habe, hatte ich doch nicht ganz recht. Es war für mich sehr schwer und mich entschuldigen. Aber dann war alles wieder gut. Ich fühlte mich erleichtert und war froh, dass ich mich von ganzem Herzen entschuldigt hatte. Jeder ist für seine Handeln verantwortlich. Wenn wir bereit sind unsere Fehler zuzugeben und uns zu entschuldigen, dann wird Gott uns die Kraft und den Mut dazu geben den ersten Schritt zu machen. Auch die anderen Menschen werden uns verzeihen. Denn Gottes Liebe hat keine Grenzen, egal wie groß unsere Schuld sein mag, ist er immer bereit, uns anzunehmen. Als der jüngste Sohn zurückgekehrt ist, hat er vielleicht nicht damit gerechnet, so liebevoll gegrüßt zu werden. Aber weil er seine Fehler zugegeben hat, hat sich den Schmerz des Vaters in Freude verwandelt. Ja, jetzt können wir nicht mehr die selben sein, denn jedes mal wenn wir unser Fehler erkennen, zugeben und bereut haben, wachsen wir und neuen Wege öffnen sich. Amen.