Predigt über Johannes 13, 21-30: Jesus und Judas
Predigt
Die Versuchung war tatsächlich groß …
heute einen anderen Predigttext als den Vorgeschriebenen zu nehmen.
Verstörend, rätselhaft, heikel, unangenehm –
das sind alles Aussagen über den Predigttext.
Außerdem wirft er mehr Fragen auf als er Antworten gibt.
Allerdings ist „Versuchung“ das Hauptthema des ersten Sonntages in der Passionszeit.
Der Gottesdienst ist coronabedingt kürzer als üblich.
Sonst hört man an diesem ersten Sonntag der Passionszeit noch im Evangelium, dass sogar Jesus selbst Versuchungen ausgesetzt war.
Dagegen ist die Wahl des Predigttextes doch Kleinkram.
Also dann, mutig hinein in den Predigttext. Hören wir vom Verrat des Judas, wie Johannes ihn mit 13. Kapitel seines Evangeliums aufgeschrieben hat. Ich lese aus der Basisbibel:
Als Jesus das gesagt hatte, war er im Innersten tief erschüttert. Er erklärte ihnen: »Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten.« Da sahen sich die Jünger ratlos an und fragten sich: »Von wem spricht er?« Einer von seinen Jüngern, den Jesus besonders liebte, lag bei Tisch an der Seite von Jesus. Ihm gab Simon Petrus ein Zeichen. Er sollte Jesus fragen, von wem er gesprochen hatte. Der Jünger lehnte sich zurück zu Jesus und fragte ihn: »Herr, wer ist es?« Jesus antwortete: »Es ist der, für den ich ein Stück Brot in die Schüssel tauche und dem ich es gebe. «Er nahm ein Stück Brot, tauchte es ein und gab es Judas, dem Sohn von Simon Iskariot.
Sobald Judas das Brot genommen hatte, ergriff der Satan Besitz von ihm. Da sagte Jesus zu ihm: »Was du tun willst, das tue bald!« Von den anderen am Tisch verstand keiner, warum Jesus das zu Judas sagte. Weil Judas die Kasse verwaltete, dachten einige, dass Jesus zu ihm gesagt hatte: »Kauf ein, was wir für das Fest brauchen.« Oder sie dachten: Jesus hat ihm aufgetragen, den Armen etwas zu geben. Als Judas das Stück Brot gegessen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht.
Judas Iskariot
Zwölf Jünger hat Jesus sorgfältig ausgesucht für seine Mission, das Reich Gottes und die Welt zusammen zu bringen.
Da hat er nicht irgendjemanden genommen. Es gab genug, die ihm nachgelaufen sind und er hatte eine große Auswahl, wen er dazu beruft.
Aber einer davon wird ihn nun verraten. Judas wird dafür sorgen, dass seine Gegner ihn heimlich, still und leise, ohne großes Aufsehen und ohne die Gefahr eines Massenaufstandes festnehmen können.
Wie es dazu kommen konnte, dass Judas Iskariot zum Verräter wird, dazu ist viel gerätselt worden. Es gibt die verschiedensten Deutungen:
Manche sagen, Judas ist einfach der Versuchung des Geldes erlegen. 30 Silberstücke waren ausgesetzt. Eine Menge Geld.
Andere machen innere Gründe geltend. Vielleicht war Judas der Widerstand gegen die römischen Besatzer besonders wichtig und als er nun verstand, dass es Jesus nicht um das römische Reich, sondern ausschließlich um das Reich Gottes geht, da war dann seine Treue zu Jesus, seine Loyalität zu ende.
Wieder andere sehen Judas als Instrument des Teufels, der ohne eigenen Willen gehandelt hat.
Es gibt sogar die Deutung, dass das alles mit Jesus abgesprochen war, dass Jesus ihm diesen besonderen Auftrag gab. Jesus wusste, dass es keinen Weg für ihn am grausamen Tod vorbei gab und hat das alles in die Wege geleitet. Judas war dann der Doppelagent und tragische Held zugleich.
Alles sehr rätselhaft. Keine Ahnung, was Judas Iskariot wirklich trieb. Klar ist nur, dass er selbst am Ende nicht mit seiner Schuld leben kann und sich umbringt.
Satan und Gott
Das ist der verstörende Teil der Geschichte, denn Satan und Gott arbeiten hier irgendwie zusammen.
Satan ist die Macht, die das Böse über uns hat, in Person. Wenn man so will Gottes Gegenspieler. Er versucht die Welt und die Menschen vor Gott schlecht zu machen.
Ich finde die Geschehnisse dieser Nacht des Verrates sehr unangenehm:
Jesus weiß, dass Judas ihn verraten wird und einige Verse vor unserem Predigttext wird schon erzählt, dass Satan ihm diesen Plan bereits ins Herz gelegt hat.
Aber doch scheint es so, als würde auch Jesus mit dazu beitragen: Er kündigt den Verrat an. Er sagt voraus, wer es ist: Derjenige, dem er gleich etwas zu Essen reicht.
Und tatsächlich, in genau diesem Moment ergreift der Satan Besitz von Judas Iskariot und es gibt kein zurück mehr.
Gibt Jesus ihn dem Versucher preis. Machen am Ende Gott und Satan hier gar gemeinsame Sache? Das wirft eine ganze Reihe von Fragen auf, die augenblicklich an anderer Stelle auch viel diskutiert werden.
In vielen Sprachen findet gerade eine Diskussion darüber statt, ob man die Formulierung im Vaterunser nicht ändern müsste, wo es heißt: „Führe uns nicht in Versuchung“. Der Gedanke dahinter: Wenn uns Gott aktiv in Versuchung führt, dann ist er dafür doch auch irgendwie selbst verantwortlich oder spielt ein böses Spiel mit uns.
Ich teile diese Meinung nicht und doch: Was Judas hier passiert ist verstörend.
Petrus und die anderen Jünger
Aber vielleicht liege ich damit genau richtig, dass ich das alles nicht verstehe. Zumindest geht es den Jüngern ja auch so.
Die sind doch auch klasse, oder?
Sie machen sich heimlich Zeichen, weil sie wissen wollen, wen Jesus meint.
Jesus sagt es ihnen noch das geheime Erkennungszeichen.
Er gibt Judas zu essen, erteilt ihm den Auftrag zu tun, was er tun muss. Judas zieht los und von den anderen am Tisch verstand keiner etwas.
Es hinterlässt zwar ein unangenehmes Gefühl, das alles nicht verstanden zu haben, aber immerhin bin ich damit offensichtlich in bester Gesellschaft.
Und damit bin ich bei der letzten Person dieses Dramas, bei mir selbst:
Was diese ganze Szene so dramatisch macht ist, dass sie zeigt, wie leicht es ist, der Versuchung zu erliegen.
Wort „Versuchung“ hat die letzten Jahrzehnte ja leider etwas gelitten, weil es entweder verniedlicht wurde als „zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt“ oder rein sexuell verwendet wird.
„Versuchung“ als Thema des heutigen Sonntag geht aber viel weiter. Das betrifft alle Themen unseres Lebens. Es betrifft alle unsere Entscheidungen und Handlungen. Jeden Tag, ständig, jede Minute haben wir die Chance das Gute zu tun oder das Böse zu lassen. Ständig laufen wir Gefahr das Gute zu lassen und das Böse zu tun. Und es ist nicht egal, wie ich lebe.
Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen den Entscheidungen dieses oder jenes. Deshalb finde ich die besten Worte des Predigttextes die vier letzten:
Judas Iskariot bricht zum Verrat auf.
Er öffnet die Tür und geht hinaus.
„Es war aber Nacht.“
Amen