Texte zum 4. Sonntag nach Trinitatis (05.07.2020)
Gottesdienst mit musikalischer Gestaltung durch Hanna Schmal (Gesang), Jörg Backeberg (Orgel), Anne Daxer (Geige), Christian Daxer (Cello)
Predigttext: Kol 1,15-20
Psalm zum Thema: 104 EG 756
gesungene Arien:
G. F. Händel: „Singe Seele, Gott zum Preise“ HVW 206
G.F. Händel: „Flammende Rose“ HVW 210
Am Ende des Dokumentes finden Sie Youtube-Links zum anhören der Arien.
Psalmvers und Eingangsgebet
Im Psalm 104. heißt es:
„HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ (Psalm 104,24)
Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel.
Es ist schön zu sehen, wie gut du die Welt für uns gemacht hast, Gott.
Berge und Täler, Flüsse und Seen.
Das alles ist so wunderbar.
Danke, Herr, für deine Schöpfung.
Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel.
Auch die Musik hast du uns gegeben, Gott.
Es tut gut zu hören, wie die Töne sich emporschwingen zu dir.
Es tut gut zu spüren, wie eine Melodie mein Herz ergreift.
Danke, Herr, für die Musik.
Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel.
Du hast auch uns geschaffen, Gott.
Du hast uns unser Leben gegeben
und wir versuchen, es gut zu leben
mit allen seinen Herausforderungen und seinem Glück,
mit seinen Schwierigkeiten und seiner Leichtigkeit,
seinen schweren und schönen Momenten.
Hilf uns, Herr, dass wir leben können
und glauben und vertrauen,
dass du die Welt gut gemacht hast für uns.
Amen.
Predigt zu Mt 11,28-30
„Singe Seele, Gott zum Preise,
der auf solche weise Weise
alle Welt so herrlich schmückt!
Der uns durchs Gehör erquicket
der uns durchs Gesicht entzücket,
wenn er Bäum und Feld beblümet,
sei gepreiset, sei gerühmet.“
Liebe Gemeinde,
das haben wir eben in der Arie von Händel gehört. Und ja, das habe ich in den letzten Wochen und Monaten oft gespürt: Diese Welt ist wunderschön. Der grüne Wald, das funkelnde Sonnenlicht auf dem Wasser der Kinzig, die bunten Blumen und das Vogelgezwitscher am frühen Morgen… Wie oft habe ich da gedacht: Gott hat das alles so gut gemacht für uns, so wunderbar, so anrührend schön.
Singe Seele, Gott zum Preise!
Und dann gab es die anderen Momente: Die Momente, in denen das Chaos der Welt über mich hereingebrochen ist. Infektionszahlen, Maskenpflicht, Todesraten, Abstandsregeln…
Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber ich erschrecke manchmal richtig darüber, was für ein Widerspruch das ist: Auf der einen Seite die wunderschöne Natur – und auf der anderen Seite die Krise mit ihrer Einsamkeit und ihrer Angst.
Und je länger die Krise dauert, umso schwerer fällt es mir, das beides zusammenzubringen: Die Schönheit der Welt und ihre Not. Laue Sommerabende und völlige Verunsicherung. „Singe Seele, Gott zum Preise“ und Corona-Statistiken.
Gehört das irgendwie zusammen?
Wenn ja: Wie gehört es zusammen?
Und vor allem: Wo ist da Gott?
Eine Antwort auf diese Fragen bietet uns der Predigttext, den ich für den heutigen Sonntag ausgesucht habe. Er steht im Kolosserbrief, im 1. Kapitel. Es ist der so genannte Christushymnus, ein Loblied auf Jesus Christus aus einer der allerersten christlichen Gemeinden. Ich lese die Verse 15 bis 20 in der Übersetzung der Basisbibel:
„Jesus Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der zuerst Geborene – noch vor der ganzen Schöpfung. Denn durch seine Gegenwart wurde alles geschaffen, im Himmel und auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare – ob Throne oder Herrschaftsbereiche, ob Mächte oder Gewalten. Alles wurde durch ihn geschaffen, und alles hat in ihm sein Ziel. Er ist vor allem da, und durch seine Gegenwart hat alles Bestand. Und er ist das Haupt des Leibes – der Gemeinde.
Er ist der Anfang: Der erste der Toten, der neu geboren wurde, damit er in jeder Hinsicht der Erste ist. Denn Gott hatte beschlossen, mit der ganzen Fülle seiner Kraft in ihm gegenwärtig zu sein. Und er wollte, dass alles durch ihn Versöhnung erfährt, um in ihm zum Ziel zu kommen. Denn er hat Frieden gestiftet durch das Blut, das er am Kreuz vergossen hat. Ja, durch ihn wurde alles versöhnt – auf der Erde wie im Himmel.“ (Kol 1,15-20)
Liebe Gemeinde,
die wunderschöne Schöpfung auf der einen Seite – der Wahnsinn der Krise auf der anderen Seite. Auf den ersten Blick ein krasser Widerspruch.
Aber im Christushymnus im Kolosserbrief finden wir eine Brücke, eine Möglichkeit, beides zusammen zu denken:
„Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes“ heißt es von Jesus. Das bedeutet: Wenn wir auf Jesus Christus sehen, können wir Gott vollständig entdecken, sehen wie er wirklich ist und was er für uns tut.
Und ja, die Schöpfung ist dabei wichtig:
„Alles wurde durch ihn geschaffen“ heißt es von Jesus Christus.
Schon an der Schöpfung war also der ganze Gott beteiligt – Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Schöpfung ist das große Werk unseres großen Gottes:
Alles, was Gott ist und was er tut, was er will und denkt, was er mit uns Menschen vorhat… das alles hat er in seine Schöpfung gelegt. In diese Welt, in die Berge des Schwarzwaldes und in das Wasser der Kinzig, in den Mandelbaum vor der Kirche und in die Gänseblümchen auf der Wiese.
In dem allem zeigt Gott uns, wie gut er es mit uns meint.
In dem allem können wir seine Liebe entdecken und ihn selbst spüren.
Singe Seele, Gott zum Preise!
Aber in Jesus Christus ist noch mehr:
„Alles wurde durch ihn geschaffen und alles hat in ihm sein Ziel.“ geht es im Predigttext weiter. Und dann: „Denn Gott hatte beschlossen, mit der ganzen Fülle seiner Kraft in ihm gegenwärtig zu sein. Und er wollte, dass alles durch ihn Versöhnung erfährt, um in ihm zum Ziel zu kommen.“
Die Welt ist gut und wunderschön. Aber sie ist noch nicht am Ziel.
Die Welt ist so, wie sie ist, noch nicht perfekt. Sie ist jetzt noch zerrissen und zerbrechlich, unversöhnt und unvollendet. Da gibt es Leid und Schmerz und Krankheit und Tod.
Aber auch in diesen dunklen Seiten des Lebens ist Gott da. Jesus hat gelebt und gelitten und ist gestorben – auch das ist ja schon ein großer Widerspruch: Der Sohn Gottes am Kreuz? Ein geschlagener und blutender Gott? Liebe im Tod?
Jesus hat in solchen Widersprüchen gelebt, weil er das Leben GANZ gelebt hat. In aller Konsequenz. Bis zum Kreuz.
Und das heißt: Gott weiß, wie es uns geht. Gott kennt das alles genauso gut wie wir: die Angst und die Einsamkeit und die Dunkelheiten des Lebens. Er hat das alles selbst erfahren.
Nichts von dem Wahnsinn, der grade auf dieser Welt geschieht, ist Gott fremd. Er weiß, wie es sich anfühlt, jeden Tag wieder auf die Statistiken zu starren. Er weiß, wie es ist, vor der Tür des Pflegeheims zu stehen und nicht hineingehen zu dürfen. Er weiß, wie weh es tut, wenn Beziehungen abreißen, Pläne aufgegeben werden müssen und ich mir immer und immer wieder die Frage stellen muss: Wie geht es weiter?
Die Krise ist keine Zeit ohne Gott – im Gegenteil: In solchen Zeiten und den dunklen Momenten des Krisenalltags ist er ganz besonders an unserer Seite.
Das ist etwas, was wir in der Schönheit der Schöpfung nicht sehen – das können wir erst in Jesus entdecken. Und wenn in solchen Momenten auf einmal Gottes Liebe zu spüren ist, dann gilt erst recht:
Singe Seele, Gott zum Preise!
Liebe Gemeinde,
diese Welt ist wunderschön – aber sie ist nicht perfekt.
Noch nicht. Die Welt ist noch nicht so, wie sie sein sollte, wie Gott sie gedacht hat.
Sie ist noch nicht am Ziel.
Aber in Jesus Christus kommt sie zum Ziel.
Weil er uns zeigt, wie groß Gottes Liebe ist – so groß, dass Gott immer und überall da ist.
So groß, dass er es eines Tages alles gut machen wird.
Wir können in der aktuellen Situation nicht so tun, als wäre die Welt nur schön – das ist sie nicht. Sie ist noch zerrissen und zerbrechlich und gefährdet. Und manchmal ist das Leben auf ihr kaum auszuhalten.
Wir können aber auch nicht so tun, als wäre das Leben nur schrecklich – denn die Blumen und die Bäume und die Berge sind so schön!
Schönheit und Krankheit, Leben und Tod, Angst und Hoffnung – Beides ist da, Beides ist wahr. Und es gilt, was Gott uns versprochen hat: Eines Tages wird es gut sein.
Das alles sehen wir, wenn wir auf Jesus Christus sehen.
Und nur wenn ich weiß, dass diese Welt beides ist: unendlich zerbrechlich und gleichzeitig so schön, kann ich wirklich Gott loben:
„Flammende Rose, Zierde der Erden,
glänzender Gärten bezaubernde Pracht!
Augen, die deine Vortrefflichkeit sehen,
müssen vor Anmut erstaunend gestehen,
dass dich ein göttlicher Funke gemacht.“
Dieses Lob der Schöpfung werden wir gleich noch in einer zweiten Arie von Händel hören.
Ja, wir sehen Gott in seiner wunderschönen Schöpfung.
Wir erleben und spüren ihn in solchen Momenten.
Wir sehen ihn aber auch in den Bildern aus den Notaufnahmen amerikanischer Krankenhäuser. Und wir erleben seine Nähe, wenn wir voreinander stehen und uns nicht berühren dürfen, wenn wir unsicher sind und Angst haben. Dann ist Gott genauso da und genauso zu entdecken wie in der schönen Rose draußen an der Mauer des Alten Pfarrhauses.
Das alles – die Welt mit allen Widersprüchen des Lebens aber auch aller Hoffnung – sehen wir Jesus Christus, der uns Gottes große Liebe gezeigt hat:
Alles wurde durch ihn geschaffen und alles hat in ihm sein Ziel.
Ja, alles wurde durch ihn versöhnt – auf der Erde wie im Himmel.
Amen.
Die Arien und Liedvorschläge zum anhören:
„Singe Seele, Gott zum Preise“ (G.F. Händel) anzuhören unter
https://www.youtube.com/watch?v=DHC_2AVCDzI
„Flammende Rose“ (G.F. Händel) anzuhören unter
https://www.youtube.com/watch?v=uMDUeofnCuk
EG 503 „Geh aus mein Herz“ anzuhören unter
https://www.youtube.com/watch?v=kpgw1b4Md54
NL 87 „Wiesen und Berge, die Wälder und Seen“ anzuhören unter