Texte zum Sonntag Jubilate (3. Mai 2020)
Predigttext: Johannes 15, 1-8
Wochenspruch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Korinther 5,17)
Psalm: Psalm 66, 1-9
Predigt über Johannes 15, 1-8 von Pfarrer Moritz Martiny
Liebe Gemeinde
„Wir bleiben zu Hause“ heißt das Gebot der Stunde und die eindringliche Bitte des Gesundheitsministeriums.
Und so ist vieles zur Zeit anders als wir es gewohnt sind: Kein Kindergarten, keine Schule, Homeoffice und Online-Gottesdienste, keine Gemeinschaft, kein Treffen mit den Freunden, kein Abend mit den Vereinskameraden.
Die Zeiten sind gerade anders. Da wundert es mich nicht, dass auch manch ein altbekannter Text aus der Bibel gerade ganz andere Gedanken in mir auslöst als bisher.
Der heutige Predigttext ist ein solcher. Ich kenne ihn sehr gut, aber diesmal klingt er anders. Denn dieses Mal höre und lese ich ihn zu Hause, nicht in unserer Kirche. Und während ich ihn lese, merke ich wieder, dass ich die Nähe zu anderen Menschen und die Gemeinschaft und die Gottesdienste immer mehr vermisse.
Der Predigttext beginnt mit einem der sieben Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums. Jesus erklärt uns in diesen Worten mit Hilfe von einfachen Bildern, welche Bedeutung er, der Messias, für uns hat. Das sind Bilder wie die Tür, wie das Licht der Welt, wie der Weg.
Das Bild, mit dem er uns heute etwas verdeutlichen will, ist der Weinstock. Ich lese Johannes 15, 1-8 in der Übersetzung der BasisBibel.
»Ich bin der wahre Weinstock. Mein Vater ist der Weinbauer. Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt. Und er reinigt jede Rebe, die Frucht trägt, damit sie noch mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe. Bleibt mit mir verbunden, dann bleibe auch ich mit euch verbunden. Eine Rebe kann aus sich selbst heraus keine Frucht tragen. Dazu muss sie mit dem Weinstock verbunden bleiben. So könnt auch ihr keine Frucht tragen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts erreichen. Wer nicht mit mir verbunden bleibt, wird weggeworfen wie eine abgeschnittene Rebe und vertrocknet. Man sammelt das Abgeschnittene ein und wirft es ins Feuer, wo die Rebe verbrennt. Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte im Innersten bewahrt, dann gilt: Was immer ihr wollt, darum bittet – und eure Bitte wird erfüllt werden. Die Herrlichkeit meines Vaters wird darin sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch als meine Jünger erweist.«
Es ist dieses Jahr der Vers Vier, der meine Gedanken bestimmt. Jesus sagt: „Bleibt mit mir verbunden, dann bleibe auch ich mit euch verbunden.“
Seit Wochen bestimmt die Haltung „Wir bleiben zu Hause“ nun schon unser Leben und es werden wohl noch viele Wochen folgen. Da ist es schwer, mit anderen Menschen Kontakt zu halten und in Verbindung zu bleiben. Und deshalb beschäftigen mich diese Worte Jesu so.
Ich stelle es mir dieses Jahr besonders bildlich vor; vielleicht ein wenig zu romantisch, aber es tut mir sehr gut, wenn Jesus sagt: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben.
Ich bin also wie ein Trieb, wie eine Rebe, an einem Weinstock. An diesem Trieb sollen dann zunächst einmal Blätter wachsen, gefolgt von Blüten und später eine ganze Traube voller Früchte.
Viele leiden in Coronazeiten auch darunter, dass es sehr schwer ist, solche Glaubensfrüchte zu bringen. Viele würden sich jetzt gerne ganz anders in der Gemeinde einsetzen und die aktuell frei gewordene Zeit und Kraft sinnvoll füllen, Früchte bringen. Aber es ist wenig, dass wir gerade tun können. Und das, was wir tun dürfen und können, ist anders als sonst, ungewohnt und fremd.
Aber das Gute an dem Bild vom Weinstock ist ja: In der Natur hat alles hat seine Zeit. Eine Rebe trägt nicht das ganze Jahr Früchte. Manchmal ist Frühling mit hellgrünen Blättern und Blüten, manchmal Sommer mit reifenden Trauben, manchmal Herbst mit vielen süßen Früchten und manchmal Winter. Alles ist gut und alles ist richtig. Das ist tröstlich, denn es bedeutet: Jetzt in den Krisenzeiten wächst vielleicht etwas anderes als sonst – aber es hat auch seinen Sinn. Es ist vielleicht anders, aber genauso wertvoll wie die Früchte normaler Zeiten.
Was mich in diesem Jahr aber noch mehr als das Früchtebringen bewegt, ist ein anderer Gedanke im Text.
Mich tröstet in der Isolation nämlich folgender Teil des Bildes vom Weinstock und den Reben: Alles, was die Triebe hervorbringen, das bringen sie nicht aus eigener Kraft hervor. Alles, was die Triebe hervorbringen, das bringen sie einzig und allein deshalb hervor, weil der Weinstock sie mit Wasser versorgt und ihnen Halt gibt.
Der wahre Weinstock ist die Lebensgrundlage für das wahren Leben. Ohne diesen kann ein Trieb nicht existieren, er würde vertrocknen. Das erklärt Jesus dann ja eindringlich und warnend.
Darum bittet er uns so dringend: „Bleibt mit mir verbunden“. Unsere Kraft kommt aus dieser Verbundenheit.
Und da beginnt der Gedanke, der mich nicht mehr loslässt: Wenn wir alle Reben, Triebe an diesem Weinstock sind, dann beziehen wir alle unsere Kraft aus diesem Weinstock. So sind wir mit Jesus verbunden und gleichzeitig entsteht damit noch eine ganz andere Verbundenheit: Denn wenn Du Deine Kraft aus diesem Weinstock beziehst und ich meine Kraft aus diesem Weinstock beziehe, dann sind wir auch untereinander und miteinander Verbunden. Es ist die selbe Kraft, die uns stärkt. Es ist der selbe Christus, der uns trägt. Auch wenn wir zu Hause bleiben müssen, wir sind in ihm verbunden.
Ich spüre das häufig abends um 19 Uhr, wenn die Glocken läuten und uns einladen, eine Kerze anzuzünden und ein Vaterunser zu sprechen. Danach sage ich meistens noch laut oder leise einen Gruß zum Fenster hinaus an Menschen von denen ich annehme, dass sie auch gerade am Fenster stehen, zu Hause bleiben und doch verbunden bleiben.
Jesus ist der Weinstock und wir sind die Reben. Auch in Zeiten, in denen die eine Rebe wenig von der anderen mitkriegt und Abstand hält, läuft doch alles zusammen im Weinstock, der uns trägt.
Liebe Gemeinde,
„Wir bleiben zu Hause“ lautet noch immer das Gebot der Stunde.
Ich freu mich schon auf nächste Woche. Wir dürfen wieder gemeinsam feiern. Es wird viele Einschränkungen geben und wir werden weiter vieles vermissen, aber wir dürfen gemeinsam feiern.
In all dem lehrt mich der Predigttext heute aber, eines nicht zu vergessen: Auch wenn es weiterhin heißen muss „Wir bleiben zu Hause“, auch wenn weiterhin viele Einschränkungen uns das Leben schwer machen und wir die Gemeinschaft und Geselligkeit vermissen, wir sind und wir bleiben verbunden in Christus Jesus.
Du und ich, wir sind Reben an dem selben Weinstock und darum ergänze ich das Gebot der Stunde um den Halt der Stunde. Unser Halt ist Jesus Christus, von dem her wir leben und Kraft beziehen, der uns hält und in dem wir miteinander verbunden sind, was auch geschieht.
„Wir bleiben zu Hause“, denn das ist zur Zeit notwendig. Aber genauso notwendig ist: Wir bleiben verbunden. In Jesus Christus. Wir gehören alle zum selben Weinstock.
Für die nächsten Wochen und vielleicht sogar Monate wird weiter gelten. „Wir bleiben zu Hause“. Aber nicht nur das. Für uns gilt immer – und jetzt in Krisenzeiten ganz besonders: „Wir bleiben in Jesus Christus verbunden“.
Amen
Liedvorschlag zum Anhören:
Du bist der Weg und Wahrheit und das Leben: https://www.youtube.com/watch?v=50pH4Uxip1I