Texte zum Gründonnerstag (9. April 2020)

Predigttext: 2. Mose 12, 1-4.6-8.10-14

Spruch zum Tag: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR. “ (Ps 111,4)

Evangelium: Joh 13,1-15.34-35

Psalm: 111 (EG 759)

 

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

vor ein paar Tagen wollte ich nur schnell ein paar Kopien in unsere Kirche legen. Ich hatte erwartet, die Kirche vorzufinden wie immer zur Zeit: leer und kalt. Aber als ich auf den Kirchplatz kam, hörte ich Musik aus der Kirche. Jörg, Anne und Christian waren grade dabei, „Christ ist erstanden“ für Ostern aufzunehmen. Ich blieb also vor der Kirche stehen und hörte zu. Und merkte, wie viele Empfindungen und Erinnerungen das Lied in mir wachruft: Traurigkeit über die momentane Situation. Freude über die Musik. Sehnsucht nach Normalität. Erinnerungen an die Ostermorgende, an denen wir das Lied gemeinsam auf dem Friedhof gesungen haben. An so viele Gottesdienste mit fröhlicher Musik, gemeinsamen Singen, Beten, Reden und Lachen… Das war ein ganz besonderer Moment.

Heute am Gründonnerstag geht es auch um so einen besonderen Moment. Und es geht um Erinnerungen. Eben solche Erinnerungen, die nicht nur unsere Gedanken berühren, sondern auch unser Herz und unser Leben. Wir erinnern uns heute daran, wie Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat: „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ hat er damals gesagt. Das Abendmahl ist ein Erinnerungsmahl: Es erinnert uns an Jesus, sein Leben und seinen Tod. Aber es erinnert noch an mehr – denn schon als Jesus und seine Jünger zusammensaßen, haben sie sich erinnert. Sie feierten das Passamahl, das große Erinnerungsmahl des Judentums.

Vom Passamahl und von dem, woran es erinnert, erzählt uns der Predigttext von heute. Er steht im 2. Buch Mose, im 12. Kapitel. Das Volk Israel ist in Ägypten versklavt. Moses verhandelt mit dem Pharao. Neun Plagen sind schon über Ägypten gekommen und noch immer lässt der Pharao die Israeliten nicht gehen. Jetzt wird die 10. Plage kommen und nach ihr wird das Volk Israel in die Freiheit ziehen. Am Abend vorher aber sollen die Israeliten noch ein besonderes Fest feiern:

 

Der Herr sagte zu Mose und Aaron, als sie noch in Ägypten waren: »Dieser Monat soll für euch der Beginn des Jahres sein. Sagt der ganzen Gemeinde Israel, dass jeder Familienvater am 10.Tag des Monats für seine Familie ein Lamm auswählt. Ist die Familie zu klein, um ein ganzes Tier zu verzehren, so soll sie sich mit der Nachbarfamilie zusammentun. Sie sollen sich vorher überlegen, wie viel jeder essen kann, damit nichts übrig bleibt. Das Tier wird bis zum 14.Tag des Monats von der übrigen Herde gesondert gehalten. Gegen Abend schlachten dann alle Familien in der ganzen Gemeinde ihr Lamm. Von dem Blut nehmen sie etwas und streichen es an die beiden Türpfosten und den oberen Türbalken der Häuser, in denen sie das Mahl halten. Sie braten das Lamm am Feuer und essen es in derselben Nacht, zusammen mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern. Ihr dürft auch nichts davon bis zum andern Morgen übrig lassen. Die Reste müsst ihr verbrennen. Beim Essen sollt ihr reisefertig gekleidet sein, die Sandalen an den Füßen und den Wanderstab in der Hand. In Hast und Eile sollt ihr essen. Dies ist das Passafest für mich, den Herrn. In dieser Nacht werde ich durch Ägypten gehen und alle Erstgeborenen töten, bei Mensch und Vieh. An allen Göttern Ägyptens werde ich mein Gericht vollstrecken, ich, der Herr. Eure Türen aber sollen durch das Blut bezeichnet sein. Überall, wo ich dieses Blut sehe, werde ich vorübergehen, und so werdet ihr verschont bleiben, wenn ich strafend durch ganz Ägypten gehe. Dieser Tag soll für euch ein Gedenktag sein, der in allen kommenden Generationen als Festtag für mich gefeiert wird. Das ist eine Anweisung für alle Zeiten.“

(2. Mose 12,1-4.6-8.9-14, Gute Nachricht)

Als Jesus an diesem Abend mit seinen Jüngern zu ihrer letzten gemeinsamen Mahlzeit zusammensitzt, denken sie an das, was über tausend Jahre vorher in Ägypten geschehen ist: Gott hat ihr Volk beschützt und befreit. Das sind im jüdischen Glauben Erinnerungen, die ganz direkt das Herz und das Leben berühren. Gott befreit – er hat aus Ägypten befreit und er wird wieder aus Not und Leid und Verfolgungen befreien. Bei allem, was Juden ertragen mussten und müssen, ist das ihr große Hoffnung. Eine Hoffnung, die für das Leben hier und jetzt Mut macht. Eine Hoffnung, die Aufatmen lässt, die Zuversicht und Freude möglich macht. Hoffnung, die aus der Erinnerung wächst.

Genau diese Art der Erinnerung ist es, die Jesus seinen Jüngern damals aufgetragen hat als er sagt: „Solches tut zu meinem Gedächtnis“: Erinnert Euch! Erinnert Euch, indem ihr mitfeiert, mitfühlt, euch anrühren, aufrichten und bewegen lasst!

Das Abendmahl ist deshalb für uns ein Erinnerungsmahl – aber es ist kein totes Ritual, dass der Vergangenheit gilt. Es gilt der Gegenwart. Es gilt der Zukunft. Das macht der Predigttext zum Passafest ganz deutlich: Es geht um das, was jetzt ist. Und um das, was sein wird. Jetzt werdet ihr beschützt. Jetzt werdet ihr befreit. Bereitet Euch also vor. Bereitet Euch vor, auf das, was kommt – auf die Befreiung, auf den Aufbruch. Tut Euch zusammen – wer mehr Essen hat, als er essen kann, lädt die Nachbarn ein. Stellt euch unter Gottes Schutz – macht Gottes Segen an Euren Türen und in Eurem Leben sichtbar. Macht Euch bereit, zieht die Wanderschuhe an und nehmt den Wanderstock in die Hand. Erinnert Euch, damit ihr richtig leben könnt: gemeinsam, aufmerksam, wachsam und voller Hoffnung.

 

Gott befreit und beschützt uns. Darum geht es beim Passamahl.

Gott befreit und beschützt uns. Das erleben wir, wenn wir das Abendmahl feiern. Das erleben wir aber ganz besonders auch heute und in diesen Tagen, in denen wir eben nicht miteinander das Abendmahl feiern dürfen.

Der Predigttext für heute gibt uns drei Hinweise, wie wir diese Erinnerung und diese Hoffnung richtig gestalten können. Drei Hinweise, die schon im jüdischen Passamahl wichtig waren und die grade jetzt, in der aktuellen Situation, wieder besonders wichtig werden:

 

1. So wie die Familien und Nachbarn damals in Ägypten gemeinsam das Lamm essen sollten, gilt auch für uns: Wir feiern gemeinsam. Ja, wir werden in diesem Jahr nicht miteinander vor dem Altar stehen, um Brot und Wein zu empfangen. Wir werden uns nicht sehen, nicht miteinander singen und beten – aber das ändert nichts daran, dass wir als Gemeinde zusammengehören. Das gilt jetzt, in der Corona-Krise, noch viel mehr als sonst! Den Gründonnerstag sollten wir nutzen, um uns daran ganz besonders zu erinnern: An das, was uns als Gemeinde miteinander verbindet. An die vielen Menschen, mit denen wir in unserer Kirche schon gebetet, gesungen und Abendmahl gefeiert haben.

Diese vielen so verschiedenen Menschen, die in unserer Gemeinde zusammenkommen, werden vor dem Altar bei Brot und Wein zu einer Gemeinschaft. Weil wir alle von Jesus gerufen wurden und geliebt werden. Das gilt – auch wenn wir uns nicht begegnen und Gottesdienst miteinander feiern können!

 

2. So wie die Menschen damals in Ägypten ihre Türpfosten markiert haben, gilt auch für uns: Wir stellen uns bewusst unter Gottes Schutz. Wir gehören zu ihm und vertrauen darauf, dass er uns behütet. Worauf auch sonst? Diese verrückte Welt bietet uns keinen Schutz mehr. Unsere alten Sicherheiten gelten nicht mehr. Was bisher normal war, ist jetzt gefährlich. An wen außer Gott sollten wir uns wenden? Grade jetzt erleben wir doch, dass nur er uns wirklich hält und schützt. Gott beschützt uns. Das galt vor tausend Jahren, das gilt heute. Ich finde das tröstlich: Zu wissen, dass ich bei Gott immer einen Zufluchtsort habe. Wenn alles – Alltag, Beruf, vermeintliche Sicherheiten – zerbricht, bleibt diese Sicherheit bestehen: Gott ist bei mir. Auch wenn ich es dieses Jahr nicht im Abendmahl erleben kann, bleibt diese Zusage Gottes gültig. Und es ist an mir, mich grade jetzt ganz bewusst immer wieder unter seinen Schutz und seinen Segen zu stellen.

3. So wie die Menschen damals schon am Vorabend die Wanderschuhe anziehen sollten, gilt auch für uns: Wir müssen bereit sein, aufzubrechen. In der Gemeinde, aber auch jeder für sich. Nicht immer nur nach hinten schauen und sehen, was wir alles verloren haben und verlieren durch Corona. Sondern nach vorne: Was kommt? Wohin gehen wir? Wie können wir das gestalten, was nach der Krise kommt? Wir werden nicht zu dem Zustand zurückkehren, den wir vorher als normal empfunden haben. Das zeichnet sich mehr und mehr ab. Es wird anders werden. Und das sollte uns keine Angst machen. Im Gegenteil: Es wird ein Weg mit Gott sein. Und es kann ein Aufbruch in die richtige Richtung werden, es kann ein Aufbruch in die Freiheit sein.

 

Das alles erleben und feiern wir, wenn wir miteinander Abendmahl feiern – das alles erleben und feiern wir auch heute Abend.

 

Liebe Gemeinde,

heute am Gründonnerstag erinnern wir uns. Daran, wie Gott uns bis hierher beschützt und befreit hat. Daran, was er uns Gutes getan hat. Im Großen hat er uns so viel Gutes getan, Jesus hat den Tod für uns besiegt. Aber auch im Kleinen, indem er ein altes Lied in einer Kirche erklingen lässt.

Und weil wir uns erinnern, erleben wir es neu: Gott beschützt und befreit uns.

Auch – ganz besonders auch – in diesen schlimmen Zeiten.

 

Solches tut zu meinem Gedächtnis“ sagt Jesus zu seinen Freunden. Tun wir es also zu seinen Gedächtnis. Erinnern wir uns: Daran, wie er Gemeinschaft gelebt hat. Daran, wie er gestorben ist. Daran, dass er den Tod besiegt hat: Christ ist erstanden!

Amen.

 

 

 

Liedvorschläge zum anhören oder mitsingen:

NL 2 „Eingeladen zum Fest des Glaubens“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=Kpe-HQUPrtg

 

NL 218 „Wir sind hier zusammen in Jesu Namen“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=ahXnpQLsYA4

 

EG 213 „Kommt her, ihr seid geladen“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=2KxJzliS0fo

 

EG 99 „Christ ist erstanden“

anzuhören auf www.youtube.com/watch?v=l7m713y4xN8