Predigt über EG 10 „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (3.Advent 2020)

Liedtext:

1. Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt,
bald wird das Heil der Sünder, der wunderstarke Held,
den Gott aus Gnad allein der Welt zum Licht und Leben
versprochen hat zu geben, bei allen kehren ein.

2. Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast;
macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst;
macht alle Bahnen recht, die Tal lasst sein erhöhet,
macht niedrig, was hoch stehet, was krumm ist, gleich und schlicht.

3. Ein Herz, das Demut liebet, bei Gott am höchsten steht;
ein Herz, das Hochmut übet, mit Angst zugrunde geht;
ein Herz, das richtig ist und folget Gottes Leiten,
das kann sich recht bereiten, zu dem kommt Jesus Christ.

4. Ach mache du mich Armen zu dieser heilgen Zeit
aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu, selbst bereit.
Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen,
so werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein.

Predigt:

Liebe Gemeinde,

„Mit Ernst, o Menschenkinder“ – da saß ich am Freitagmittag.

Ich wollte ein tolle Predigt schreiben über dieses Lied, dass ich so mag.

Darüber, wie wir grade jetzt Gott den Weg bereiten können und sollen…

Ich hatte alles schon so wunderbar im Kopf.

Stattdessen saß ich da und hätte heulen können.

Ausgangssperre. Alles wieder auf der Kippe.

Wie soll das gehen? Was heißt das jetzt genau? Und was wird Weihnachten?

Ich war ziemlich verzweifelt.

Also habe ich zuerst mal alles andere gemacht – sich ablenken ist ja immer gut -, zum Beispiel ein Foto für die heutige Segenskarte gesucht.

Foto: Nahler für gemeindebrief.de

Und dann hat mich dieses Bild voll erwischt.

Das ist so ziemlich alles, wozu ich grade fähig bin.

Wenn mir jetzt jemand ein paar Schilder und eine Schaufel in die Hand drücken würde und sagen würde: „Bereite doch fein tüchtig, den Weg dem hohen Gast.“ – es würde so was bei rauskommen:

Keine ordentliche, grade Straße, liebevoll angelegt – sondern Rost und Umwege, Dornenranken und Gestrüpp.

Freitag Nachmittag hätte ich es vermutlich nicht mal geschafft, das Schild an dem Zaun fest zu machen, es wäre mir direkt auf die Füße gefallen….

Wo in all dem Chaos soll ich Jesus den Weg bereiten?

Wie soll ich es schaffen, zwischen Schutzkonzepten, Weihnachtsgeschenken und online-Predigten auch noch an ihn zu denken?

Und wie soll er das schaffen, in meinem Herzen noch einen Platz zu finden, wo es so übervoll ist mit Unruhe, Plänen und Sorgen?

Und was noch zusätzlich frustrierend ist:

Das Lied „Mit Ernst o Menschenkinder“ wurde im dreißigjährigen Krieg geschrieben. Von Unruhe und Angst und Unsicherheit brauchen wir dem Verfasser nichts erzählen. Das kannte er alles besser als wir. Und trotzdem kriegt er es hin, so ein Lied zu schreiben: Ganz nah bei sich, ganz nah bei seiner Hoffnung, ganz nah bei Gott.

Während ich durch die Tage hechele und mich so fühle (Karte zeigen).

Und trotzdem – trotzdem merke ich, dass ich das Lied in diesem Jahr besonders brauche.

Und ich habe seit Freitag gemerkt, dass es trotzdem der richtige Predigttext für heute ist.

Vielleicht auch gar nicht „trotzdem“, sondern „genau deshalb“.

Genau weil wir so unruhig sind: „Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt.“

Genau weil alles so mühsam ist: „Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem hohen Gast.“

Genau weil wir so viel Angst haben: „Zieh in mein Herz hinein“

Die Ruhe, die das Lied ausstrahlt.

Die Ernsthaftigkeit.

Dieses: Stopp. Moment. Überleg dir, was du tust. Denk drüber nach, was wirklich wichtig ist.

Das fällt mir in diesem Jahr noch viel schwerer als sonst.

Aber genau deshalb brauche ich es noch viel mehr.

Advent ist eben nicht nur eine Zeit der besinnlichen Ruhe und der Gemütlichkeit beim Kerzenschein. Advent ist nicht nur bequem, sondern eigentlich eine ziemlich unbequeme Zeit. Eine Zeit, sich neu zu besinnen und mal ganz konkret zu fragen: Lebe ich wirklich so, wie ich sollte? So, wie Gott das von mir will? Kann Gott so wie ich bin und lebe wirklich zu mir kommen?

Das Lied stellt uns deutlich vor solche Fragen – aber ich finde auf eine sehr gute Art.

Nämlich nicht mit erhobenem Zeigefinger.

Es sagt:

Ja, da hast du eine ganz schöne Aufgabe vor dir !

„Macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst; macht alle Bahnen recht, die Tal lasst sein erhöhet“

Da ist echt was zu tun!

Und ja, da wirst du etwas ändern müssen in deinem Leben:

„Ein Herz, das richtig ist und folget Gottes Leiten, das kann sich recht bereiten, zu dem kommt Jesus Christ.“

Aber am Anfang steht ein Versprechen:

„Bald wird das Heil der Sünder, der wunderstarke Held, den Gott aus Gnad allein der Welt zum Licht und Leben versprochen hat zu geben, bei allen kehren ein.“

Bald – bald ist es soweit!

Bevor wir irgendetwas tun müssen, wird uns das versprochen.

Und am Ende steht die Hoffnung und die Sehnsucht:

„Ach mache du mich Armen zu dieser heilgen Zeit, aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu, selbst bereit.

Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen, so werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein.“

Es so tröstlich zu hören:

Da bin es nicht mehr ich, die was tun muss, sondern Jesus.

Er kommt zu mir. Und zwar egal, wie gut ich ihm den Weg bereitet habe.

Er hat ihn sich selbst bereitet.

Wenn meine Versuche, ihm den Weg zu mir aus zuschildern so aussehen (Karte zeigen) – egal.

Er findet den Weg.

Auch durch Umleitungen, Dornenranken und Rost hindurch.

Der Gedanke tut grade in diesem Jahr so gut!

Denn meine Versuche, ihm den Weg zu bereiten, die sind manchmal einfach nicht besser als das.

Grade jetzt geht nicht mehr.

Aber er kommt bei mir an.

Egal, ob ich vorbereitet bin

– egal, ob ich es spüre oder nicht:

Jesus kommt zu mir.

Das klingt so klein.

Irgendwie ist dieses Jahr nicht das Jahr der großen Worte und der schnell erfüllten Hoffnungen.

Vielleicht ist es aber gar nicht schlecht, mal vorsichtiger zu werden – langsamer – bescheidener:

Demütiger, eben.

Denn Gott liebt die Demütigen.

Und die Schwachen und Traurigen.

Stark und heldenhaft ist in diesem Lied nur einer: Jesus Christus.

Wir Menschen sind es nicht und müssen es vielleicht auch nicht sein.

Ein bisschen die krummen Dinge grade biegen,

ein paar kleine Handgriffe,

ein verrostetes Schild an einem Zaun festschrauben,

lieber mal nichts machen, sondern einfach etwas bleiben lassen…

ein Karte, ein Lächeln, ein Anruf, eine Kerze, ein Foto, ein Blick in den Himmel…

das wäre schon ein guter Anfang.

Ein ausreichender Anfang.

Das ist schon ein Weg, den Gott gehen kann.

Liebe Gemeinde,

dass Weihnachten wird, liegt nicht in meiner Hand. Nicht in Ihrer Hand.

Übrigens auch nicht in der Hand der Politiker, die über die Corona-Regeln für den 24.12. entscheiden.

Das liegt nur in Gottes Hand.

Und er hat es uns versprochen.

Er kommt zu uns.

Auch in diesem Jahr.

Amen.