Predigt und Teile des Gottesdienstes zum 1. Weihnachtsfeiertag zum Anhören und Nachlesen

Auszüge aus dem Gottesdienst. Predigt: Moritz Martiny, Fürbitten: Monika Stahlberg, Altflöte: Salome Martiny

Begrüßung
„Weihnachten“ – ein Wort – ein Versprechen!
Glückseligkeit, leuchtende Kinderaugen, Kerzenlicht.
Hält wohl nicht, was es verspricht, in diesem Jahr
mit den Einsamen unterm Weihnachtsbaum,
den Kranken auf den Intensivstationen
und einer Welt in Angst.
Halt! Das war nicht das Versprechen und es war nie anders.

„Weihnachten“ – das Wort – das Versprechen!
Das Wort ward Fleisch.
Gott wird Mensch, mit Einsamkeit und Schmerz und Angst.
Siehe, er hält, was er verspricht:
Einsamer, ich bin bei dir.
Kranker, ich kenne Schmerz und Todeskampf.
Ängstlicher, fürchte dich nicht.
Denn euch ist heute der Heiland geboren!

Herzlich willkommen zum Weihnachtsgottesdienst.
Wir feiern ihn ohne Abendmahl,
dürfen nicht gemeinsam sprechen und singen,
wir halten Abstand und tragen Maske.
Wir feiern in den Trümmern unserer Weihnachtsträume.
Aber wir feiern, feiern in der Kirche und zu Hause.
Denn wir wissen: Gott kommt zu uns.

Psalmwort
Psalm 96 begleitet uns über die Weihnachtstage. Von unbändiger Freude über Gottes Kommen spricht er zum Beispiel so:

Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich,
das Meer brause und was darinnen ist;
das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist;
es sollen jauchzen alle Bäume im Walde vor dem Herrn;
denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich.

Eingangsgebet
Wir beten:
Gott, ich liebe diesen Psalm.
Er bringt mich zum Schmunzeln.
Ich stelle es mir bildlich vor: Die Erde hüpft fröhlich in ihrer Bahn, ich schaue das Kinzigtal hoch und sehe die Bäume winken: Ja, sie jauchzen wirklich. So ist das, wenn du zu uns kommst. Da gibt es kein Halten.
Aber was hält mich denn dann? Ich will auch brausen wie das Meer und jauchzen wie die Bäume.

Verzeih, Gott, dass ich es nicht schaffe.
Die vielen schlechten Nachrichten blockieren mich, machen mich schwerfällig, halten mich gefangen.
Selbst die Weihnachts-Nachricht hat es da schwer und wird misstrauisch von mir beäugt.
Bitte, Gott, befreie mich jetzt für diesen Moment des Gottesdienstes von all dem. Lass mich einmal durchschnaufen. Lass meine Seele einmal kurz haltlos jauchzen und fröhlich sein. Das wird mir gut tun. Amen

Lesung
Die verrückte Freude des Weihnachtspsalms geht im Predigttext gerade so weiter. Hört aus Jesaja 52, was noch alles in Freudenjubel ausbricht, wenn der König der Welt in Sichtweite kommt.

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt.
Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes. Amen

Predigt
Liebe Gemeinde,
da ist die Phantasie mit Jesaja wohl etwas durchgegangen.
So begeistert ist er von der frohen Botschaft, dass sein Aufruf etwas schräg gerät:
„Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems.“
Im Psalm waren schon Feld und Wald am Jauchzen.
Aber hier gibt es endgültig kein Halten mehr. Die Trümmer werden angesprochen.
Im Krieg wurde Jerusalem völlig zerstört. Kein Stein blieb auf dem anderen. Die Stadtmauer geschliffen, der Tempel entweiht und geplündert, Häuser mutwillig zerstört, alles Zertrümmert.
Und jetzt? Jetzt sollen die Ruinen, die zerstreut rumliegenden Mauerteile, die verkohlten Holzbalken, der ganze Schrott soll anfangen zu singen, zu jubeln, Gott zu loben und soll fröhlich sein.
Da geht jetzt wiederum mit mir die Phantasie durch.
Ich stelle mir das bildlich vor.
Im Stil der Zeichentrickfilme meiner Kindheit.
Ich wünschte, ich könnte Trickfilme zeichnen und Filmmusik komponieren.
Vor meinem inneren Auge sehe ich es genau vor mir.
Man sieht die zerstörte Stadt und auf einmal fangen die Steine an zu tanzen.
Anfangs noch recht vorsichtig, dann immer wilder und verrückter, in Reihen und in Gruppen.
Und die Musik?
Die finge mit dem Chor der Gefangenen aus Nabucco an.
Traurig singen die Steine,
aber sie kommen doch in Bewegung.
Da, die frohe Botschaft taucht auf. Die Trümmer raunen sich beim Tanzen zu: „Dein Gott ist König!“
Und dann biegt die Musik ab, wird fröhlich und erleichtert und frei.
Die Trümmer finden sich beim Tanzen zu immer größeren Teilen zusammen und werden neue Häuser.
Halt, das ging jetzt wirklich zu weit.
So sehr mit Jesaja und mit mir die Phantasie durchgegangen ist: Trümmer bleiben Trümmer.
Jesaja redet sie nicht schön.
Und das finde ich gerade das Herausragende an seiner Vision.
Er vertröstet und nicht.
Er erzählt nicht: Alles wird gut und dann werden sich alle wieder freuen.
Er erzählt uns keine Märchen darüber, dass jede Krise auch zu etwas gut ist
oder dass es ja viel schlimmer sein könnte und wir uns nicht so anstellen sollen.
All das tut er nicht. Die Trümmer sind Trümmer. Aber jetzt lässt er die Trümmer singen und jubeln und tanzen.
Die Füße des Freudenboten in den Bergen, der Silberstreif am Horizont ist kein Vertrösten. Es ist keine Durchhalteparole. Die Boten rufen nicht „Impfstoff in Sicht“ und nicht „Alles wird gut“. Die Freudenboten verkünden: „Dein Gott ist König!“
Jerusalem wird wieder aufgebaut und tatsächlich werden aus den Trümmern wieder schöne Häuser.
Aber über 500 Jahre nach Jesaja und über 2000 Jahre vor uns bekommen seine Worte eine noch größere Bedeutung.
Der König kommt und er kommt zu den Trümmern des Lebens:
Eine unverheiratete ist schwanger.
Kein Platz in der Herberge.
Im Abseits
Wieder zeigt sich Trümmer dürfen Trümmer sein und müssen nicht beschönigt werden. Aber da wo die Trümmer liegen, da liegt Gott: Ein ohnmächtiges kleines Kind in der Krippe.
Im Jahr 2020 des Heils stehen wir inmitten der Trümmer eines Weihnachtsfestes.
Wer hätte so etwas erwartet.
Aber es ist Weihnachten.
Gott kommt.
Die Trümmer geraten in Bewegung, tanzen und jubeln und sind fröhlich.
Es ist Weihnachten.
Kommt, freut euch mit. Freut euch mit den Trümmern. Freut euch, seid fröhlich.
Denn: Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Amen

Fürbittengebet
Der König dieser Welt kommt nicht mit Prunkt und Gewalt. Klein und hilflos wie ein Kind kommt er.
Denn er kommt zu den Trümmern und sorgt sich um die Schwachen und ohnmächtigen. Zu diesem ungewöhnlichen Herrscher beten wir:

Mächtiger König der Welt, du hilfloses Kind in der Krippe,
das Coronavirus bestimmt heute unser Leben. Es hat unseren Alltag verändert und jetzt auch noch die Festtage:
Tröste die Trauernden,
stärke die Ängstlichen,
sei den Einsamen nahe
und erhalte uns allen die Hoffnung.

Mächtiger König der Welt, du hilfloses Kind in der Krippe,
keinen Platz gab es damals in Bethlehem für dich. Alles war belegt. Heute ist unser Herz voll von Corona und es lässt keinen Platz für das andere Leid. Rette ertrinkende Flüchtlinge,
pflege die Opferseelen von häuslicher Gewalt,
zeige Wege denen, die nicht weiterwissen,
und gib uns ein weites Herz.

Mächtiger König der Welt, du hilfloses Kind in der Krippe,
unendlich viel Gutes hast du uns getan als du Mensch wurdest. Das feiern wir heute. Wir danke dir für die Menschen, die uns Gutes getan haben.
Segne die, die uns unbemerkt Gutes taten,
erfreue die, die großzügig zu uns waren,
sei barmherzig denen, die uns geholfen haben,
und erfülle uns selbst mit Dankbarkeit.

Mächtiger König der Welt, du hilfloses Kind in der Krippe,
vereint mit der ganzen Christenheit,
vereint mit allen, die dieses Jahr schweren Herzens nicht in den Gottesdienst kommen
vereint miteinander, die wir hier nicht sprechen dürfen, beten wir deine Worte: Vater unser…